Kroatien: Kopf-an-Kopf-Rennen vor Wahlen

Zweieinhalb Wochen vor den Parlamentswahlen liegen das rechte und linke Lager gleichauf. Trotz Fortschritten hat Zagreb 2009 kaum Chancen auf einen EU-Beitritt.

Sorgenfalten wären angebracht: Kroatischer Premier Ivo Sanader Bild: ap

ZAGREB taz Die Kandidaten der kroatischen Parteien zeigen sich auf den Wahlplakaten von ihrer Schokoladenseite. Es gibt wohl keinen größeren Platz im Land, wo Ministerpräsident Ivo Sanader nicht auf die Passanten hinabblickt: ernst, optimistisch, kompetent - so präsentiert er sich dem Volk, das am 25. November zur Wahl eines neuen Parlaments aufgerufen ist.

Dabei wären einige Sorgenfalten angebracht. Der Chef der konservativen Kroatischen Demokratischen Gemeinschaft, der bisherigen Regierungspartei HDZ, muss, trotz aller Erfolge der letzten Jahre, jetzt ernsthaft um den Wahlsieg kämpfen. Denn mit Zoran Milanovic, dem neuen Chef der Sozialdemokraten (SDP), ist ein junger und dynamischer politischer Gegner aufgetaucht, mit dem vor Jahresfrist noch nicht zu rechnen war.

Der knapp 40-jährige Jurist und Diplomat ist Nachfolger des im Frühjahr verstorbenen Ivica Racan. Milanovic strahlt Optimismus, Intelligenz und Innovation aus. Und er erinnert die Wähler daran, dass es die SDP war, die nach ihrem Wahlsieg Ende 1999 das alte Tudjman-Regime überwand und Kroatien an Europa heranführte.

Zwar verlor die SDP 2003 die Macht an die HDZ, doch das Pendel könnte jetzt wieder zurückschlagen. Nach letzten Umfragen liegen die beiden Parteien mit je rund 30 Prozent der Stimmen gleichauf. Es kommt also darauf an, die unentschiedenen Wähler zu mobilisieren und die Weichen für Koalitionen mit den kleineren Parteien, die alle unter 10 Prozent liegen, zu stellen.

Nach wie vor ist die Integration Kroatiens in die EU ein Hauptthema der Parteien im Wahlkampf. Dabei geht es nicht mehr um die Frage, ob Kroatien der EU beizutreten soll, sondern darum, wie schnell das geschehen sollte. Sanader verspricht einen Beitritt schon im Jahre 2009. Die SDP ist vorsichtiger und möchte ein späteres Datum anpeilen. Kroatien sei noch nicht so weit, erklären Parteichef Zoran Milanovic und der Spitzenkandidat für das Amt des Ministerpräsidenten, der parteilose Ljubo Jurcic.

Damit teilen beide die Skepsis in Brüssel. Der Vertreter der EU vor Ort, Botschafter Vincent Degert, und der jüngste Fortschrittsbericht aus Brüssel von Anfang dieser Woche bescheinigen Kroatien zwar Fortschritte. So wachse die Wirtschaft um jährlich 6 Prozent, die Arbeitslosigkeit habe sich verringert und liege nur noch bei knapp 14 Prozent, der Tourismus boome mit rund 10 Millionen Gästen 2007 und der Nettodurchschnittslohn liege mit 666 Euro monatlich höher als in anderen Ländern, die bereits beigetreten sind.

Aber das Land sei über die Maßen verschuldet. "Kroatien importiert doppelt so viel, wie es exportiert", erklärt Degert. "Investitionen aus dem Ausland steigen an, aber die Investoren klagen, wie schwierig es sei, Immobilien zu erwerben. Korruption und der schwerfällige Staatsapparat verhindern dies." Das Rechtssystem müsse dringend reformiert werden, Kroatien verfüge über die meisten Richter pro Einwohner in Europa. Dennoch seien 1,6 Millionen Rechtsstreitigkeiten ungelöst, beklagt der EU-Funktionär. Ob alle Reformprojekte bis 2009 umgesetzt seien, sei daher fraglich.

Das Rechtssystem und die Bürokratie umzugestalten, wird keiner Partei leichtfallen. Denn die dafür notwendigen Reformen berühren die Interessen vieler. Wer will es wagen, die überall im Lande schwarz gebauten Wohnhäuser wieder abzureißen? Welche Partei wird gegen die Privilegierten im Justizsystem, der Bürokratie und der Polizei vorgehen, wo doch viele ihrer Mitglieder aus diesen Bereichen kommen?

Die neue Regierung steht vor unpopulären Entscheidungen. Erst 2 der 35 von der EU geforderten Kapitel sind abgearbeitet. Die Privatisierung der staatlich subventionierten Stahl- und Schiffbauindustrie wird Arbeitsplätze kosten und jeder Regierungspartei Einbrüche an den Standorten bescheren.

So ist es für die Wahlkämpfer schwierig, die mit dem EU-Beitritt verbundenen Probleme ganz konkret anzusprechen. Ivo Sanader appelliert jetzt lieber wieder an nationale Gefühle. Mit der Entscheidung, die kroatische Fischereizone ab 1. Januar 2008 bis in die Mitte der Adria auszudehnen, berührt er nicht nur die Interessen Italiens, sondern auch jene der Anrainerstaaten Slowenien und Bosnien und Herzegowina, was zu heftigen Protesten in beiden Ländern führt. Und wiederum in Kroatien eine Stimmung erzeugt, die für die Konservativen von Vorteil ist.

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