"Zug der Erinnerung" hält in über 30 Städten: Museumszug fährt nach Auschwitz
Eine mobile Ausstellung erinnert an von Nazis verschleppte Kinder. In den Zugwaggons sind ihre Lebensgeschichten und Deportationswege dokumentiert.
FRANKFURT/MAIN taz Margot Kleinberger wurde 1942 als Elfjährige aus Hannover in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Am Donnerstagvormittag hat sie auf Gleis 1a im Frankfurter Hauptbahnhof mit bewegter Stimme den "Zug der Erinnerung" eröffnet. Eine mobile Ausstellung, die an das Schicksal der Kinder von Juden, Sinti und Roma in der NS-Zeit erinnert - und lange um eine Umsetzung kämpfen musste.
Rund 1,5 Millionen Kinder und Jugendliche hatten die Nationalsozialisten aus ganz Europa in Vernichtungslager verschleppt und ermordet. Die Logistik für ihren Leidensweg hatte die Deutsche Reichsbahn übernommen. Margot Kleinberger überlebte drei Jahre KZ, zuletzt gequält in einer Versuchsstation für Infektionskrankheiten. Kleinberger dankte den Organisationen und Menschen, die sich vor zwei Jahren zum Verein "Zug der Erinnerung" zusammengeschlossen hatten. Die Ausstellung hole "die Toten wieder aus der Vergessenheit heraus".
Den langen Konflikt mit der Deutschen Bahn AG, der vorausgegangen war, erwähnte der Vereinsvorsitzende Rüdiger Michnow zur Eröffnung nur am Rande. Man habe ihn mit "Unbeirrbarkeit, Entschlossenheit und Würde" durchgestanden. Die Bahn hatte sich geweigert, einer von Hinterbliebenen französischer Deportierter zusammengestellten Ausstellung auch in deutschen Bahnhöfen Raum zu geben. Zum einen sei man nicht Rechtsnachfolgerin der Reichsbahn, zum anderen gehöre eine "historische Ausstellung" in das Eisenbahnmuseum in Nürnberg, lauteten die Bedenken.
Die Initiative entschied sich für eine pragmatische Lösung. Sie mietete das Schienennetz zusammen mit dem Verein der "Ulmer Eisenbahnfreunde", deren Dampflok 58311 nun die vier Ausstellungswaggons über 3.000 Kilometer durch sieben Bundesländer bis zur Gedenkstätte Auschwitz (Oswiecim) in Polen ziehen wird. Der Zug wird in mehr als 30 Städten halten. In den Wagen sind in kleinen Abteilen auf schlichten Tafeln mit Fotos und Text die Lebensgeschichten und Deportationswege namentlich bekannter Kinder dokumentiert.
Der Verein "Zug der Erinnerung" konnte bisher 12.089 deutsche Kinder und Jugendliche identifizieren und bittet regionale Initiativen und Einzelpersonen weiter um Mithilfe. Das Material wird auch Schulklassen zur Verfügung stehen. Der privat finanzierte Verein verbuchte es am Donnerstag auch als Erfolg seiner Bemühungen, dass das Verkehrsministerium und die Bahn AG für 2008 eine eigene Ausstellung umsetzen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!