Klimawandel dörrt Australiens Bauern aus: Vier Selbstmorde die Woche
Zu wenig Wasser, zu wenig Ernte - der Klimawandel hat Australien erreicht. Viele Bauern verlieren ihre Existenz. Trotz "Jahrhundertdürre" will die Regierung das Kioto-Protokoll nicht ratifizieren.
CANBERRA taz Australien trocknet aus. Wie das staatliche australische Forschungsinstitut CSIRO in diesen Tagen mitteilte, ist der Wasserstand im Murray-Darling-Flussystem im Südosten des Landes in den letzten Jahren dramatisch gefallen. In diesem Gebiet liegen die wichtigsten Agrarregionen Australiens.
Wenju Cai, Wissenschaftler am CSIRO, sieht den Klimawandel als Ursache für diese Entwicklung. In den letzten Jahren sei die Durchschnittstemperatur um ein Grad Celsius gestiegen. "Es ist somit keine Überraschung, dass auch die Dürre schlimmer wird". 3600 Gigaliter Wasser seien bereits aus dem Flusssystem verdunstet. Ein Gigalitter entspricht einer Millionen Tonnen Wasser. Dies bedeutet eine schwere zusätzliche Belastung für das Murray-Darling-Becken: wegen der Dürre ist in den letzten sechs Jahren die jährliche Menge Wasser, die in das System fließt, von 11400 auf 4200 Gigaliter gefallen.
Die Nachricht kommt zum Zeitpunkt, an dem die Trockenperiode in weiten Teilen Südostaustraliens ihr zwölftes Jahr beginnt. Die "Jahrhundertdürre", wie Meteorologen den extremen Mangel an Niederschlägen nennen, drängt das Murray-Darling-Gebiet an den Rand des Kollapses. Dem Wasser droht die Verschlammung und Vergiftung durch Algen.
Die Konsequenzen eines Zusammenbruchs des Flussystems wären signifikant. Denn ein Großteil des australischen Getreides wird in dieser Region angebaut, auch der Obst- und Gemüseanbau sowie die Wollindustrie sind dort angesiedelt. Landwirte müssen derzeit teure Futtermittel kaufen, damit ihre Tiere überleben. Unzählige Betriebe mussten bereits wegen Wassermangels schliessen. Tausende von Familien verloren ihre Einkommen. Verschiedenen Quellen zufolge nehmen sich pro Woche in Australien bis zu vier Landwirte das Leben.
Die aktuellen Daten aus dem CSIRO bestätigen die Position der meisten australischen Wissenschaftler, wonach der Klimawandel die jüngste Dürre maßgeblich mit verursacht hat oder zumindest verstärkt. Trotzdem herrscht bis in die obersten Chargen der konservativen australischen Regierung weiterhin Skepsis. Noch vor wenigen Tagen stellte Vizepremierminister Mark Vaile öffentlich in Frage, ob Klimawandel tatsächlich stattfinde. Vaile ist mit seinen Zweifeln nicht alleine. Erst auf Druck der öffentlichen Meinung hatte Premierminister John Howard vor knapp einem Jahr zugestanden, Klimawandel sei Realität. Mehrere Mitglieder seiner Regierung bezeichnen sich aber weiterhin als "Klimaskeptiker".
Australien hat wie die Vereinigten Staaten das Kioto-Protokoll nicht ratifiziert. Das Land ist nicht nur für die eigene Energieherstellung weitgehend von Kohle abhängig, sondern exportiert den umweltbelastenden Brennstoff auch in alle Welt. Oppositionsführer Kevin Rudd hat angekündigt, das Kioto-Protokoll sofort ratifizieren zu wollen, sollte seine Laborpatei am 24. November die Parlamentswahlen gewinnen.
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