Schlampereien bei Vattenfall-AKWs: Profit geht vor Sicherheit

Der schwedische Energiekonzern Vattenfall räumt bei dem Beinahe-GAU von Forsmark schwere Versäumnisse ein. Im AKW Brunsbüttel wurden erneut Schäden entdeckt.

Das ständige "Outsourcing" im AKW Forsmark habe zu Kontrollproblemen geführt, so die von Vattenfall selbst eingesetzte Expertenkommision. Bild: dpa

STOCKHOLM taz Leitende Mitarbeiter des Vattenfall-Konzerns haben vor dem Beinahe-GAU des Forsmark-Atomkraftwerks im Juli 2006 jahrelang Alarmzeichen in den Wind geschlagen und Warnungen von Fachleuten ignoriert. Zu diesem Schluss kommt ein von dem Energiekonzern selbst in Auftrag gegebener Sicherheitsbericht, der am Montag veröffentlicht wurde.

Kaum verschleiert wird der Vorwurf gemacht, Profitdenken habe beim Betrieb des Reaktors eine zu große Rolle gespielt: Die Belegschaften seien "darüber im Unklaren gelassen worden, wie das Management Sicherheitsfragen in Relation zu wirtschaftlichen Fragen einordnet". Die Autoren des Berichtes kritisieren, der jahrelange reibungslose Betriebs der Reaktoren habe der Sicherheitskultur geschadet. Beim Personal habe sich eine "Blindheit" bei sicherheitsrelevanten Fragen eingeschlichen. Vattenfall-Chef Lars Josefsson nahm diese Kritik in einer Pressekonferenz auf: Selbstüberschätzung und Atomkraft seien tatsächlich keine gute Kombination. Man sei "froh darüber, dass das entdeckt und nun verifiziert wurde", und man wolle das korrigieren.

Der Rapport macht über Forsmark hinaus aber auch auf Schwachstellen aufmerksam, von denen andere AKW ebenfalls betroffen sein dürften: So sei in Forsmark womöglich zu sehr am Personal gespart worden. Außerdem habe das stetig wachsende Outsourcing zu Kontrollproblemen geführt. Weil die alten Reaktoren über die ursprünglich geplante Laufzeit betrieben wurden, mussten sie ständig modernisiert werden. Doch dafür habe es an ausreichenden Richtlinien gefehlt. Die Aufsichtsbehörden hätten sich dabei immer stärker auf juristische Fragen anstatt auf sicherheitsrelevante Fragen konzentriert.

Die Aufseher hätten sich zu sehr auf die Eigenverantwortung der Reaktorbetreiber verlassen. Für die Zukunft wird ein aktiveres Verhalten der Behörden angemahnt. Als Konsequenz aus dem Rapport kündigte der Konzern an, den Posten eines neuen Sicherheitsbeauftragten für Atomkraftwerke zu schaffen. Dieser "Chief Nuclear Officer" soll sich um die Sicherheit aller Vattenfall-Reaktoren kümmern. Der Bericht empfiehlt in diesem Zusammenhang außerdem, die deutschen und schwedischen AKW in einer gemeinsamen Konzerneinheit zusammenzufassen.

Genug Arbeit gibt es für den neuen Sicherheitschef auch hierzulande: Beim AKW Brunsbüttel waren am Montag wieder zwei meldepflichtige Schäden entdeckt worden. Ein Leck an einer Kühlwasserleitung und Risse an Armaturen des Reaktorwasserreinigungssystems. Gerade eine Woche ist es her, dass eine Vattenfall-"Expertenkommission" dem Reaktor ganz im Gegensatz dazu einen ordnungsgemäßen technischen Zustand bescheinigt hatte.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.