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Londoner Produzent & DJ Will SaulIm Land des guten Grooves

Simple Records-Betreiber Saul setzt auf melodischen House - und lässt seiner Tochterfirma Raum für Experimente. "Simple Sounds" ist deren erste Compilation.

Der House-Produzent Will Saul im künstlichen Paradies . Bild: promo

Klavierunterricht kann eigentlich nie schaden. Auch wenn man, wie Will Saul, als Kind nur widerstrebend auf dem Instrument spielen wollte. "Meine Mutter zwang mich zum Üben", erinnert er sich, "aber es war eine gute Grundausbildung." Als Teenager habe er sich dann mehr für Sport und Mädchen interessiert. Die Begeisterung für Musik hat ihn aber nie verlassen: Seit seinem achten Lebensjahr sammelt er Schallplatten, mit siebzehn kaufte er sich zum ersten Mal Plattenspieler, um als DJ aufzulegen, und zwei Jahre später begann er, selbst Musik zu produzieren. Seit fünf Jahren betreibt Will Saul sein eigenes Label Simple Records, im Jahr 2006 kam der experimentellere Ableger Aus Music hinzu. Die Musik, die er bei Simple veröffentlicht, vereint Elemente von Detroit Techno, Minimalismus und Melodien voller Soul zu einer unaufdringlich eigenen Mischung.

Bei Aus Music, dessen Name nicht zufällig an "House" erinnert, gibt es organischere Sounds wie Dub zu hören. Die Schallplatten, so Will Sauls Anspruch, sollen auf dem Dancefloor genauso funktionieren wie beim Hören zu Hause. Diesen Anspruch löst er mühelos ein. Vor allem seine eigenen Produktionen leben von ökonomischen Arrangements, deren Aufbau mehr an Popsongs als an Minimal Techno erinnert. Ein gutes Beispiel dafür ist sein Hit "Pause", in dem sich eine rein rhythmische Bassfigur allmählich zu einer ohrwurmtauglichen Melodie fortspinnt. "Für den Track haben wir sehr lang gebraucht und mussten eine Menge verschiedener Melodien ausprobieren", so Will Saul. Wie er einräumt, wollte er mit "Pause" eigentlich etwas Minimalistisches produzieren. Doch gerade dies falle ihm schwer: "Es ist fantastisch, wenn es funktioniert, aber das Problem ist, dass einfach so wenig Musik darin ist."

Dennoch: Gemeinsam mit seinem Labelkollegen Lee Jones von MyMy will er sich noch einmal an einen Minimal-Track wagen. Ungefähr eine Woche im Monat verbringt er im Studio, ansonsten kümmert er sich um das Label, das er seit zwei Jahren als Ein-Mann-Unternehmen betreibt.

Dass sein Label mittlerweile gut läuft, liegt nicht zuletzt auch daran, dass Will Saul einen Abschluss in Wirtschaftswissenschaften hat. Mit einem fertigen Businessplan ist Simple Records jedoch nicht an den Start gegangen. "Das hat sich organisch entwickelt", beschreibt er sein Geschäftsmodell. Die ersten zehn Veröffentlichungen über musste er erst einmal lernen, kein Geld zu verlieren und die richtige Balance zu finden zwischen dem, was ihm gefällt, und dem, was den Verkauf fördert, die Auswahl der richtigen Remixe zum Beispiel. Labels wie Simple und Aus operieren auf wackligem Gelände. "Wir hatten Glück mit unserer fünften Platte. Ohne diesen Erfolg wäre mit dem Label Schluss gewesen."

Entscheidend für das Profil von Simple sei, einen erkennbaren Sound zu haben, ohne sich allzu sehr festzulegen. "Die Leute langweilen sich sonst schnell." Hinzu kommt, dass Simple nicht nur mit den Ohren, sondern auch mit den Augen auf Anhieb zu erkennen ist. Das reduzierte Design von Michael Place, der lange Zeit beim Kollektiv Designers Republic mitarbeitete, passt perfekt zum futuristischen Understatement der Musik und prägt sich sofort ein. Für Sammler sei eine "starke visuelle Identität" sehr wichtig, denn wenn man etwas kaufe, müsse man es auch wirklich lieben. "Liebe und Sorgfalt" seien daher für sein Label besonders wichtig. Noch wichtiger als die Gestaltung ist aber Will Sauls Talent für A & R (Artists and Repertoire). Drei Jahre lang konnte er bei Sony Music als Produktmanager seine Erfahrungen sammeln. Doch auch hier sind es für ihn nicht rein ökonomische Kategorien, die zählen. Er verlässt sich bei der Auswahl der Künstler lieber auf seinen Geschmack. Die Hauptsache bei A & R sei ohnehin, seine Beziehungen am Leben zu halten. Worauf es ankomme, seien regelmäßige Kommunikation und der Dialog mit den Künstlern.

Dies ist ihm auch wichtiger als ein DSL-Anschluss. In einem Zeitalter, in dem Labels ihre Geschäfte überwiegend über das Internet erledigen, wundert es, zu erfahren, dass ein großer Teil der bei Simple eingehenden Demos allein deshalb nicht angehört wird, weil er sie nicht alle herunterladen kann. "Ich höre mir ungefähr zehn Demos am Tag an, mehr schaffe ich nicht", so seine Auskunft. Viel mehr braucht er vielleicht auch nicht zu hören, die meisten seiner Künstler wie Jesse Rose, Mike Monday oder Sideshow hat er ohnehin im Lauf der Jahre kennen gelernt. Kein Wunder, dass die Mehrheit der bei Simple und Aus veröffentlichten Musik von Künstlern aus Großbritannien stammt: "Phonique und Motorcitysoul sind die einzigen Hauptkünstler bei Simple, die keine Briten sind."

Mit seinen Stammkünstlern steht für das nächste Jahr gleich eine Reihe größerer Veröffentlichungen an. Den Auftakt macht er selbst mit seiner Compilation "Simple Sounds". Auf einer CD versammelt er vier eigene Neuproduktionen und Remixe seiner Tracks von Größen wie Gui Boratto. Die andere CD ist ein DJ-Mix mit Titeln aus den Katalogen von Simple und Aus. Mit dieser Compilation zeigt er, warum seine Labelpolitik so erfolgreich ist. Die Zusammenstellung von Eigenem und Remix ist so gelungen, dass sich das Ergebnis wie ein eigenes Album anhört. Die nächsten Nummern von "Simple Sounds" sollen Spirit Catcher und MyMy zusammenstellen. Geplant sind außerdem ein Album von Lee Jones und ein zweites Will-Saul-Soloalbum. Im Frühjahr erscheint das zweite Album von Sideshow, einem dublastigen Seitenprojekt von Fink alias Finn Greenall, mit der er befreundet ist.

Nach Berlin kommt Will Saul, der aus dem ländlichen Somerset stammt, regelmäßig, um Platten aufzulegen. Sein Lebensmittelpunkt ist aber London und soll es erst einmal bleiben. "Berlin ist zweifellos die Hauptstadt der elektronischen Musik, es sind einfach so viele Leute hier." Rein geschäftlich gesehen, sei es sicher besser, in Berlin zu leben. "Doch ich mag mein Haus in London", sagt er lächelnd.

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