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GedenkdemoLinker Kiezspaziergang mit heftigem Ende

Zur 15. Silvio-Meier-Demo finden sich so viele Antifas zusammen wie schon lange nicht mehr. Die Veranstalter werfen der Polizei überzogen hartes Eingreifen nach Ende des Protests vor. 13 Menschen werden festgenommen.

Es war der stärkste Auftritt der Berliner Antifa-Szene seit den G-8-Protesten im Mai: Am Sonnabend zogen laut Polizeiangaben gut 1.600 junge Linke bei der alljährlichen Silvio-Meier-Demonstration weitgehend friedlich durch Friedrichshain. Seit 15 Jahren wird mit dem Protest an den am 21. November 1992 von Neonazis erstochenen Hausbesetzer erinnert. Nach Ende der Demo kam es zu kurzen Scharmützeln mit der Polizei, die mit rund 1.000 Beamten im Einsatz war. Insgesamt 13 Personen wurden festgenommen. Die Veranstalter warfen der Polizei brutales Vorgehen vor und sprachen von acht Verletzten. Die Polizei nannte am Sonntag lediglich einen verletzen Medienvertreter.

"Das war eine sehr laute, sehr kraftvolle Demonstration", freute sich Anmelder und Linkspartei-Mitglied Kirill Jermak. Beinahe die gesamte Berliner Antifa-Szene hatte sich am Sonnabendnachmittag eingefunden: Ein breites Bündnis aus 18 linken Gruppen hatte zur Demo aufgerufen. Neben den vornehmlich schwarzen Kapuzenträgern reihten sich auch einige ältere Semester, viele Jugendliche und mit der PKK sympathisierende Kurden ein.

Die Teilnehmer zogen dabei Parallelen zwischen den frühen 90er-Jahren und der gegenwärtigen Präsenz von Neonazis im Kiez. Die Zahl rechtsextremer Angriffe in Friedrichshain sei wie damals sehr hoch, tönte es aus dem Lautsprecherwagen. Der zweieinhalbstündige Marsch von der Samariterstraße über die Frankfurter Allee zur Warschauer Straße führte entlang einiger linker Szenetreffs, dem zweiten Thema des Protests. "Wer selbst verwaltete Wohnprojekte räumen will, sollte wissen, dass das seinen Preis hat", so ein Redebeitrag. Ob Köpi oder das New Yorck im Kreuzberger Bethanien, Initiativen in der Rigaer Straße und Liebigstraße - man werde diese zu verteidigen wissen. Die gegenwärtigen Terrorermittlungen gegen Linke wurden launig kommentiert: "Wir sind alle 129a!", skandierte der Demozug.

Dabei entwickelte der Gedenkmarsch immer wieder linken Event-Charakter: Wiederholt wurden auf Häuserdächern Leuchtfeuer entzündet, Banner entrollt und Fahnen geschwenkt. Ganz am Ende flogen Steine auf ein rechtes Szenelokal in der Warschauer Straße, nachdem die Antifas bis dahin laut, aber friedlich durch den Kiez gezogen waren.

Dies war - zumindest anfangs - auch ein Erfolg der Polizei, die sich während der Demonstration auffällig im Hintergrund hielt. "Wir wollten erst gar keine Provokationsfläche bieten", so ein Sprecher. "Das ist voll aufgegangen." Nach Vorkontrollen vor und zu Beginn der Demo schritten die Beamten auch nicht gegen die eigentlich verbotenen Seitentransparente und einzelne Sachbeschädigungen an Autos ein. Erst nach Beendigung des Protestes kam es zu gezielten und wenig zimperlichen Verhaftungen von Demonstranten wegen vermeintlichen Landfriedensbruch, Körperverletzung und versuchter Gefangenenbefreiung. Die Linken antworteten mit "Haut ab"-Sprechchören und Flaschenwürfen, von denen auch ein Journalist getroffen wurde. Die Veranstalter sprachen von einem überzogen brutalen Schlagstock- und Pfeffersprayeinsatz der Polizei.

Die im Vorfeld befürchteten Zusammenstöße mit Rechtsextremen blieben dagegen aus. Zu einer rechten Kundgebung parallel zur Silvio-Meier-Demo fanden sich lediglich vier Dutzend Neonazis im Lichtenberger Weitlingkiez, der als rechte Hochburg gilt, ein. Hinter Absperrgittern und mit - von der Polizei verordneten - heruntergeregelten Mikrofonen interessierten sich nicht einmal die vereinzelten Antifas für den Kameradschafts-Protest "gegen Schläger im Kiez". Zeitgleich mahnte eine von der Linkspartei veranstaltete Kundgebung mit 50 Teilnehmern, Lichtenberg nicht den Rechtsextremen zu überlassen.

"Die organisierte Rechte ist momentan vergleichsweise schwach", resümierte Kirill Jermak. Man habe mit ruhigem Gewissen deren Kundgebung ignorieren und eigene wichtige Themen vermitteln können: "Ich hoffe, das war der Auftakt zu wieder mehr inhaltlichen Akzenten von links statt nur abgebrannten Autos."

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