Wirtschaftsspionage: Geheimdienst will Mittelstand helfen

Russische und chinesische Wirtschaftsspionage bedrohe den deutschen Wissensvorsprung, warnt der Verfassungsschutz - und dient sich Firmen als Berater an.

BERLIN taz Der Lebenslauf des neuen chinesischen Mitarbeiters passte ideal zum Profil des Kfz-Zulieferers. Doch dann wurde der Mann dabei erwischt, wie er sich unerlaubt geschützte Firmeninterna besorgte. Eine Prüfung durch den Verfassungsschutz ergab, dass der Chinese auch bei seinem vorherigen Arbeitgeber einen nahezu perfekt passenden Lebenslauf präsentiert hatte, allerdings zu ganz anderen Anforderungen. Für den Verfassungsschutz sind solche frisierten Lebensläufe ein klares Indiz, dass der Mann vom chinesischen Geheimdienst eingesetzt und gesteuert wurde.

"Durch "unfreundlichen Informationsabfluss" sollen der deutschen Wirtschaft jährliche Schäden in Höhe von acht Milliarden Euro entstehen. Das haben die Wissenschaftler Egbert Kahle und Wilma Merkel von der Uni Lüneburg anhand einer Unternehmensbefragung berechnet. Dabei seien viele Unternehmen selbst schuld. "Nur zwei Prozent der Firmen haben ein mit dem Verfassungsschutz abgestimmtes Sicherheitskonzept. Fast die Hälfte der Unternehmen hält den Einsatz der Sicherheitsbehörden gegen Wirtschaftspionage sogar für unnötig."

Das will der Verfassungsschutz ändern. Am Montag widmete er sein jährliches Symposium der "Bedrohung der Wirtschaft". Rudolf Adam von der Bundessicherheitsakademie in Berlin sprach sogar von einem "Wirtschaftskrieg", auf den Deutschland schlecht vorbereitet sei. "In Deutschland vertraut man zu sehr auf die Selbstregulierung der Märkte", so Adam. "Für andere Staaten gehört die Wirtschaftsspionage aber zur normalen staatlichen Existenzvorsorge", ergänzt Herbert Kurek vom Bundesamt für Verfassungsschutz und wird auch konkret: "Dazu gehören die Russische Föderation und die Volksrepublik China".

"Die Schwachstelle der Unternehmen sind vor allem die eigenen Mitarbeiter", haben die Lüneburger Wissenschaftler herausgefunden. Viel zu unbefangen offenbaren sie an Messeständen und bei Kongressen Interna ihrer Firmen. Neben solcher "Gesprächsabschöpfung" greifen russische und chinesische Geheimdienste aber immer öfter auch zu Angriffen auf deutsche Computer via Internet. Immer wieder werden aber auch Mitarbeiter im Auftrag der Geheimdienste in die Unternehmen eingeschleust. "Sie können das Know How dann nicht nur transferieren, sondern auch bewerten, weil sie Insider geworden sind", erklärte Herbert Kurek. "Solche verräterischen Mitarbeiter haben oft nicht einmal Unrechtbewusstsein, sondern freuen sich als Patrioten, am technologischen Aufbau ihres Landes mitzuarbeiten."

Für die meisten Know-How-Abflüsse sind allerdings nach wie vor konkurrierende Unternehmen aus Westeuropa und Nordamerika verantwortlich. Darüber spricht der Geheimdienst allerdings nicht so gerne, denn zuständig ist er nur, wenn die Spionage von fremden Staaten ausgeht oder unterstützt wird.

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