Prostitution: Kleine Chance für kleine Bordelle
Die pauschalen Drohungen, Wohnungsbordelle zu schließen, sind nicht zeitgemäß, finden Politiker aller Parteien. Denn Prostitution ist legal und sollte nicht über das Baurecht verboten werden.
Alle Parteien im Abgeordnetenhaus wollen den Streit über die Schließung von Wohnungsbordellen beilegen. Das ist das Ergebnis der Anhörung im Wirtschaftsausschuss am Montag. Damit hat die Lobbyarbeit der Prostituierten, die seit Frühjahr Sturm gegen die vermehrte Schließung von Wohnungsbordellen in Berlin Sturm laufen, erste Erfolge. Es hat sich herumgesprochen, was Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) treffend formuliert: Es sei "die absurde Situation entstanden", dass die Prostituierten, nachdem ihr Gewerbe durch das Prostitutionsgesetz legalisiert worden ist, nun durch die Anwendung des Baurechts verdrängt werden.
Berlin ist neben Rostock die einzige Stadt in Deutschland, in der es keine Sperrbezirke gibt. In den letzten Jahrzehnten haben sich deshalb überall in der Stadt Prostituierte in Wohnungen selbstständig gemacht, um so, ohne Zuhälter und nach eigenem Gusto, dem sexuellen Dienstleistungsgewerbe nachzugehen. Solange Prostitution verboten war, wurden diese individuell betriebenen Kleinbordelle als "gewerbliche Zimmervermietung" bei den Ämtern angemeldet. Eigentlich hätten sie auch damals baurechtlich geprüft werden müssen, aber die Bauämter sind dem nicht nachgegangen, erklärt die Rechtsanwältin Margarete von Galen in der Anhörung im Wirtschaftsausschuss. Sie vertritt Bordellbetreiberinnen, die nun, nach der Legalisierung der Prostitution, aufgefordert wurden, ihre Betriebe zu schließen. Warum es dazu gekommen ist, kann auch sie nicht erklären.
Die bezirklichen Bauämter können die Schließung verfügen, wenn die Wohnungsbordelle in Wohngebieten liegen. Denn es gibt gerichtliche Entscheidungen, die seit Jahren mantraartig immer wieder verfügen, dass Bordelle milieubedingte Begleiterscheinungen nach sich zögen - wie Lärm, Kriminalität, Belästigung der Nachbarn. In einem Wohngebiet sind diese nicht statthaft. Keines dieser Urteile, und zuletzt hat das Berliner Oberverwaltungsgericht diese Ansicht 2007 noch einmal bestätigt, ist je in die Beweisaufnahme gegangen, bemängelt Margarete von Galen. Im Klartext: Die Gerichte haben nie geprüft, ob das Bordell, das schließen sollte, tatsächlich die Nachbarschaft stört.
Die Anwendung des Baurechts ist Bezirkssache. Deshalb wird das Problem unterschiedlich gehandhabt. Die härteste Gangart von allen fährt der Baustadtrat von Charlottenburg-Wilmersdorf, Klaus-Dieter Gröhler (CDU). Dies, obwohl die anderen Stadträte und die Bezirksverordnetenversammlung des Bezirks gegen ein pauschales Vorgehen gegen Bordelle votieren. Der Wirtschaftsstadtrat von Charlottenburg-Wilmersdorf, Marc Schulte (SPD), fordert deshalb in der Anhörung dazu auf, landesweite Regelungen zu schaffen, die die Kriterien festlegen, nach denen Bordelle rechtlich akzeptiert werden können. Bis dahin, versichert er, werden die Schließungsverfügungen in seinem Bezirk ausgesetzt. Er fordert, wie alle Anwesenden, einen runden Tisch, an dem Politiker, Polizei, Bauämter, Gesundheitsämter, Prostituierte und ihre Vertreterinnen diese Bedingungen formulieren. Tatsächlich wird es dazu ein erstes Treffen am 18. Dezember beim Wirtschaftssenator geben, obwohl noch strittig ist, ob das Land den Bezirken überhaupt in die Zuständigkeit hineinreden darf.
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