Kommentar EU-Afrika-Gipfel: Noch nicht auf Augenhöhe
Eine gleichberechtigte Partnerschaft zwischen Afrika und der EU ist überfällig - aber die Zeit scheint noch nicht reif. Die Ziele des Gipfels sollten deshalb niedriger gehängt werden.
E uropa und Afrika haben ein gestörtes Verhältnis. Vor hundert Jahren war fast der gesamte afrikanische Kontinent von rassistischen Europäern beherrscht, die Afrikaner als minderwertig ansahen. Vor fünfzig Jahren war Europa auf dem Rückzug aus Afrika, die antikolonialen Befreiungsbewegungen schickten sich in immer mehr Ländern zur Machtübernahme an, aber noch zweifelte niemand wirklich an der Unterordnung des Kontinents in einem fremdbestimmten Weltsystem.
Dominic Johnson ist Redakteur im Auslandsressort der taz.
Heute sieht sich Afrika als Kontinent im Aufbruch, der sich von außen nichts mehr sagen lassen will und der seine Probleme endlich selbst in die Hand nimmt, um das verheerende Erbe von hundert Jahren ausländischer Einmischung zu überwinden. Zumindest ist das die Überzeugung der politischen und geschäftlichen Elite Afrikas.
Afrikas Führer treten den Regierungen Europas an diesem Wochenende in Lissabon ungewöhnlich selbstbewusst gegenüber. Im Streit darüber, ob der mit EU-Einreiseverbot belegte simbabwische Präsident Mugabe zum Gipfel darf, hat sich Afrika hinter den Diktator gestellt und gewonnen. Die einstige Kolonialmacht Großbritannien hat den Kürzeren gezogen und spielt auf diesem Gipfel kaum eine Rolle. Noch nie ist ein diplomatisches Kräftemessen zwischen Afrika und seinen einstigen Kolonisatoren so eindeutig zugunsten der Afrikaner ausgegangen.
Man kann jetzt, wie es europäische und afrikanische Offizielle gleichermaßen tun, diesen Streit als abgehakt betrachten und das himmelschreiende Elend in Simbabwe einfach zur Nebensache erklären. Oder man könnte, wie es die kritische Öffentlichkeit jetzt reichlich spät fordert, umso offener Kritik üben und damit Europas althergebrachten moralischen Überlegenheitsanspruch neu betonen - diesmal gegenüber afrikanischen Diktatoren und nicht den Afrikanern insgesamt.
Beides hätte wenig mit einer neuen gleichberechtigten Partnerschaft zu tun, wie sie offiziell verkündet werden soll. Dieser Anspruch ist zwar überfällig - aber die Zeit scheint, leider, noch nicht reif dafür. Wenn Europa und Afrika nicht auf allen Ebenen unbefangen miteinander umgehen können, sollten sie die Ziele des Gipfels niedriger hängen und dafür praktischer diskutieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!