Debatte um Ganzkörperschleier: Koch kramt Burka raus
Wahlkampfthema gesucht: Hessens Regierungschef sinniert darüber, Ganzkörperschleier zu verbieten. Der Ausländerbeirat protestiert gegen Kochs Vorhaben.
WIESBADEN taz Hessens Ministerpräsident Roland Koch hat das Verbot des Ganzkörperschleiers an allen hessischen Schulen verlangt. Die Burka benachteilige Mädchen, die verhüllt "nicht gleichberechtigt" am Unterricht teilnehmen könnten, sagte der im Landtagswahlkampf stehende CDU-Politiker. Ihre Bewegungsfreiheit, vor allem im Sport- und Schwimmunterricht, bei Wandertagen und Klassenfahrten, werde eingeschränkt.
Koch erklärte, es dürfe nicht hingenommen werden, dass sich muslimische Schülerinnen ihre Kleiderordnung "aus den eigenen Reihen" diktieren lassen müssten. Er erwäge das Verbot für die neue Legislaturperiode nach der Landtagswahl am 27. Januar. Das Tragen von Kopftüchern wolle er Schülerinnen aber nicht untersagen: "Hier gilt das Toleranzgebot."
Der Wiesbadener Staatsgerichtshof hatte vergangene Woche mit knapper Mehrheit entschieden, dass das Kopftuchverbot für alle Beamtinnen verfassungskonform sei. Beamte seien einerseits zur weltanschaulichen Neutralität verpflichtet, andererseits müsse "die christlich-humanistische Tradition" Deutschlands berücksichtigt werden. Der Hessische Landtag hatte das Gesetz 2004 mit den Stimmen der allein regierenden CDU verabschiedet.
Der Landesausländerbeirat protestierte am Montag gegen die neue Reglementierung: "Wir kennen keine Schülerin in Hessen, die eine Burka trägt." Kochs Ankündigung gehe deshalb "an der Realität vorbei". Geschäftsführerin Ulrike Foraci erklärte, wenn Koch die Burka zum Wahlkampfthema machen wolle, gefährde er "die positiven Integrationsbemühungen der vergangenen Jahre". Kurz vor der Landtagswahl 1999 hatte Koch nach für seine Partei schlechten Umfrageergebnissen mit Erfolg eine Unterschriftenkampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft initiiert. Wahlergebnisse in Hessen sind traditionell knapp. Auch Schulpolitik gehört zu den Reizthemen, mit denen alle Parteien regelmäßig im Vorfeld Wählerstimmen zu gewinnen,
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