Nordamerikanische Freihandelszone: Maisimporte vertreiben Mexikaner
Mit Blockaden protestierten Mexikos Bauern gegen die liberalisierte Einfuhr von Mais aus Nordamerika. Die Importe berauben die Landbevölkerung ihrer Existenz.
MEXIKO-STADT taz Sie haben an die Regierung appelliert, sind durch die Straßen der Hauptstadt marschiert, haben zu Konzerten geladen und 750.000 Unterschriften zusammengetragen. Doch am Ende hat der Protest der Kleinbauern und Umweltschützer, die im Juli 2007 ihre Kampagne "Ohne Mais kein Mexiko" gestartet haben, nichts genützt. Wie geplant sind am 1. Januar die letzten Hürden der Nordamerikanischen Freihandelszone (Nafta) gefallen, Kanada und die USA dürfen nun unbeschränkt Mais, Bohnen, Milchpulver und Zucker nach Mexiko exportieren.
Die Nafta trat 1994 in Kraft. Für Mais und Bohnen, die wichtigsten Grundnahrungsmittel in Mexiko und Grundlage der mexikanischen Landwirtschaft, hatte die mexikanische Regierung eine Übergangsfrist ausgehandelt. So wurde bisher nur gelber Mais zollfrei nach Mexiko eingeführt, der an Tiere verfüttert oder in der Industrie verarbeitet wird, und für diesen galten bestimmte Kontingente. Diese Übergangsfrist ist nun vorbei. Auch weißer Mais darf nun importiert werden. Daraus stellen die Mexikaner Tortillas her, er bildet die Ernährungsgrundlage für 60 Prozent der mexikanischen Bevölkerung, vor allem auf dem Land und in den ärmeren Schichten.
Enrique Pérez vom Kleinbauernverband Anec, der die Kampagne gegen die Öffnung des Agrarmarktes mitorganisiert hat, fürchtet, dass die Öffnung der Grenzen die Situation auf dem Land verschärfen wird. "Als die mexikanische Regierung Anfang der 1990er-Jahre die Übergangsfrist für Mais und Bohnen vereinbarte, versprach sie, dass sich die Landwirtschaft bis in zwölf Jahren so weit entwickelt haben würde, dass die Öffnung der Grenzen ihr nichts anhaben kann", sagt Pérez. "Aber die Situation auf dem Land hat sich seit Beginn der 1990er-Jahre nicht verbessert, sondern dramatisch verschlechtert."
70 Prozent der Bevölkerung auf dem Land lebt in Armut, etwa 600.000 Menschen vertreibt die Not in Mexiko jedes Jahr aus ihren Dörfern. Sie suchen ein besseres Leben in den wuchernden Städten oder versuchen, bei Nacht und Nebel die Grenze zu den USA zu überqueren.
Die Gründe liegen nicht nur in den - bis dato eingeschränkten - Importen von hochsubventioniertem Mais aus den USA, mit dem die mexikanischen Kleinbauern nicht konkurrieren können. Seit den 1980er-Jahren hat die mexikanische Regierung die bis dahin staatlich gestützte Produktion und Versorgung mit Mais liberalisiert und privatisiert, die Unterstützung für die kleinbäuerliche Landwirtschaft radikal abgebaut.
"Die Technokraten in der mexikanischen Regierung haben seit 25 Jahren darauf verzichtet, den Bauern zu helfen, damit Mexiko sich selbst versorgen kann, und stattdessen auf billige Importe gesetzt", schreibt die mexikanische Tageszeitung La Jornada. Die Regierung folge der Theorie der komparativen Kostenvorteile, die besagt, dass jedes Land sich auf das konzentrieren solle, was es relativ am billigsten produzieren kann. "Wir exportieren Mexikaner und importieren Mais", resümiert die Zeitung.
Eine halbe Million Menschen fliehen jedes Jahr von Mexiko in die USA. 10,7 Millionen Tonnen Mais hat Mexiko im letzten Jahr importiert, ein Drittel seines Bedarfs. Wenn das nun mehr werden, werden die Mexikanerinnen noch abhängiger von den Schwankungen des Weltmarktpreises und den Spekulationen großer Konzerne.
Wie sich das auswirken kann, haben sie Anfang 2007 erfahren: Weil die Nachfrage nach Mais durch die zunehmende Produktion von Biotreibstoff stieg, verdoppelte sich zwischen Januar 2006 und 2007 der Weltmarktpreis für das Getreide. In Mexiko wird der Handel mit Mais von wenigen Großkonzernen kontrolliert, die die Gelegenheit nutzten, auch die Preise für die Tortillas um 80 bis 120 Prozent zu erhöhen - obwohl diese größtenteils aus weißem Mais hergestellt werden, den Mexiko selbst ausreichend produziert.
Die Kleinbauern haben angekündigt, ihren Widerstand fortzusetzen. Am Silvesterabend blockierten sie, unterstützt von Bauern aus den USA, Grenzübergänge und Häfen.
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