die wahrheit: Kettengrabenbaggergesicht und Gerstenmehlkuchenfuß
Wer auf den Orkney-Inseln Hochzeit feiert, muss den Dudelsackspieler mit dem Zipfel einer fetten Schweinswurst füttern, damit er nicht so schnell betrunken wird.
Maggie will am Wochenende heiraten. Da sie ihren Zukünftigen im Sommerurlaub auf den Orkneys, der Inselgruppe vor der schottischen Nordküste, kennengelernt habe, wollten die beiden dort auch Hochzeit feiern. Ob sie närrisch sei, fragte ihre Freundin Sally. Ob sie etwa noch nie von den Hochzeitsbräuchen auf den Inseln gehört habe?
"Der Hochzeitsmarsch zum Beispiel", meinte Sally entsetzt. "Du musst hinter einem Dudelsackspieler zur Kirche laufen, dabei zwei Mal fließendes Wasser überqueren und eine Kanone abfeuern, um die Trolle zu verscheuchen. Und mit Trollen ist nicht zu spaßen." Auf den Orkneys haben sie furchterregende Namen wie Truncherface, also Kettengrabenbagger-Gesicht, oder Bannafeet, also Gerstenmehlkuchen-Fuß. "Vor dem Marsch musst du den Dudelsackspieler mit dem Zipfel einer fetten Schweinswurst füttern, damit er nicht so schnell betrunken wird", sagte Sally.
"Und glaube mir: Niemand kann so viel trinken wie die Schotten." In der Silvesternacht mussten die Krankenwagen drei hilflose Betrunkene pro Minute auflesen. Es sei zum Nationalsport geworden, sich zu betrinken, meinte der schottische Justizminister Kenny MacAskill. Bei Hochzeiten gilt das erst recht. Auf den Orkneys muss der Bräutigam einen Holztopf mit warmem Ale, Gin, Weinbrand, Whisky und ein paar Eiern füllen und ihn jedem Gast reihum zum Trinken anbieten. Spätestens dann ist die gesamte Hochzeitsgesellschaft volltrunken.
"In der Nacht vor der Hochzeit musst du zwei starke junge Männer auftreiben, die dein Haus bewachen, damit kein Bösewicht im umgekehrten Uhrzeigersinn mit einem Fisch ums Haus läuft", riet Sally, "weil du sonst später keine Milch für deine Kinder haben wirst." Das Geschlecht der künftigen Kinder wird bereits am Hochzeitstag festgelegt, denn die "Hanselfrau", die angesehenste Frau der Insel, legt der Braut ein fremdes Baby in den Arm. Dann warten alle gespannt, welchen Fuß es zuerst hebt: Ist es der rechte, wird die Braut einen Jungen bekommen, ist es der linke, wird es ein Mädchen.
"Am schlimmsten aber ist der Hochzeitskuchen", stöhnte Sally. "Er enthält nicht nur Kümmel, sondern auch einen Ring und einen Fingerhut. Das Kuchenungetüm wird über dem Kopf der Braut in Stücke gebrochen, um die herum sich alle Junggesellinnen balgen. Wer den Ring findet, heiratet bald. Wer aber den Fingerhut bekommt, bleibt für immer ledig." Damit aber niemand unverheiratet bleibt, gibt es den Brauch des bundling: Wenn die Eltern eine Tochter an den Mann bringen wollen, stellen sie eine Kerze ins Fenster. Kommt ein Interessent vorbei, wird er - ebenso wie die Tochter - bis zu den Achseln in einen schweren Leinensack gesteckt, der hinten fest zugebunden wird. Dann dürfen sie ins Bett und können sich kennenlernen. Sie dürfen sich umarmen und küssen, aber mehr auch nicht.
Sally hatte sich richtig in Rage geredet, als Maggie sie unterbrach. "Ich sagte Torquay, und nicht Orkneys", meinte sie. "Ja, bist du noch bei Trost?", rief Sally. "Kennst du nicht den alten Brauch in Torquay, der Braut eine Aalstrichschmerle " Der Rest war unverständlich, weil Maggie ihr eine Papierserviette in den Mund gestopft hatte.
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