Terrorermittlungen der Generalbundesanwältin: Harms wütet ohne Folgen
Generalbundesanwältin Monika Harms verstößt bei ihren Terrorermittlungen regelmäßig gegen geltende Gesetze. Juristische Folgen hatten ihre Schlappen bislang nicht.
Monika Harms, 61, ist seit Juni 2006 Generalbundesanwältin. Die ihr unterstehende Bundesanwaltschaft ist die Staatsanwaltschaft des Bundes und unter anderem für Terrorismus- und Spionageverfahren zuständig. Harms ist die erste Frau in diesem Amt. Zuvor war sie Vorsitzende des Fünften Strafsenats des Bundesgerichtshofs. Harns ist Mitglied der CDU und war 2006 auch als Verfassungsrichterin im Gespräch. Nach Einschätzung der FAZ hat sie dies jedoch abgelehnt, weil sie nicht noch einmal eines von mehreren Mitgliedern eines Senats sein wollte. Ihr persönliches Interesse gilt weniger dem Staatsschutz als dem Steuerstrafrecht. Bis zu ihrer Berufung zur Generalbundesanwältin lehrte sie nebenher an der Bundesfinanzakademie in Brühl.
Was für eine beschämende Serie! Binnen einem Jahr wurde Generalbundesanwältin Monika Harms gleich sechsmal vom Bundesgerichtshof (BGH) für ihre Antiterrorermittlungen gerügt. So oft in so kurzer Zeit ist dies wohl noch keinem ihrer Vorgänger widerfahren.
Immer wieder haben Harms und ihre Ermittler Gesetze missachtet oder sie zu weit ausgelegt, ihre Befugnisse überschritten oder unhaltbare Verdächtigungen in die Welt gesetzt. Anstatt sich in Zeiten von al-Qaida auf den echten Terrorismus zu konzentrieren, peppte die Bundesanwaltschaft militante linke Gruppen und Dschihad-Sympathisanten zu "Terroristen" auf.
Erst Ende der vorigen Woche befand der Bundesgerichtshof die Razzien bei Globalisierungskritikern, die Harms im Mai 2007 angeordnet hatte, für rechtswidrig. Und in den Zündeleien im Vorfeld des G-8-Gipfels konnte der BGH keinen Terrorismus erkennen. Daher seien statt der Bundesanwaltschaft die örtlichen Staatsanwaltschaften zuständig gewesen. Die Richter hatten sogar ernste Zweifel daran, ob es überhaupt, wie von Harms behauptet, eine "Vereinigung" gab, die die Serie von Anschlägen koordiniert hatte.
Dieser Rüffel war der schwerste, aber keineswegs der einzige, den Harms in ihrer erst anderthalb Jahre währenden Amtszeit hinnehmen musste. Schon im Februar verbot der BGH ihrer Behörde, heimlich Computer auszuspähen, weil es dafür keine gesetzliche Grundlage gebe. Harms hatte versucht, einen Trojanerangriff als Online-"Hausdurchsuchung" zu verkaufen.
Im Mai entschied der BGH im Verfahren gegen den Iraker Ibrahim R., dass die Verbreitung allgemeiner Aufrufe zum Dschihad nicht als Terrorismus zu werten sei. Die Bundesanwaltschaft hatte versucht, eine Gesetzesänderung aus dem Jahr 2002 zu umgehen, indem sie jede Sympathiewerbung als Unterstützung von al-Qaida wertete.
Weil kein dringender Tatverdacht bestehe, hob der BGH im Oktober den Haftbefehl gegen den Soziologen Andrej Holm auf, dem Harms vorgeworfen hatte, der "militanten gruppe" anzugehören und deren Erklärungen verfasst zu haben. Im November äußerte sich das Gericht direkt zur "militanten gruppe" und befand, dass diese, anders als von Harms angenommen, keine terroristische, sondern nur eine kriminelle Vereinigung sei. Durch Brandanschläge auf Autos und Gebäude werde der Staat nicht erheblich gefährdet. Eine entsprechende Einschränkung des Antiterrorparagrafen 129 a aus dem Jahr 2003 hatte Harms nicht ernst genommen.
Ende November erklärte der BGH-Ermittlungsrichter in einem Hamburger Verfahren, dass die von der Bundesanwaltschaft praktizierte Form der Postkontrolle nicht dem Gesetz entspreche. Harms hatte Polizisten zur Post geschickt, um verdächtige Briefe auszusortieren - eine Aufgabe, die Mitarbeitern der Post vorbehalten ist.
Als Niederlagen der Bundesanwaltschaft will Harms diese Beschlüsse des BGH jedoch nicht verstanden wissen. Sie verweist darauf, dass in der Regel die Rechtslage unklar gewesen sei. In manchen Fällen, wie bei der Postkontrolle, war der Wortlaut des Gesetzes tatsächlich uneindeutig. Bei den Abmilderungen des Paragrafen 129 a drängt sich hingegen der Eindruck auf, dass Harms diese vorsätzlich missachtet hat, weil sie ihr schlicht nicht passten.
Noch bedenklicher ist es, wenn die Bundesanwaltschaft eine terroristische Vereinigung erfindet. Schließlich hatte selbst der Verfassungsschutz bezweifelt, dass die diversen Brandanschläge im Vorfeld des G-8-Gipfels einheitlich gewesen seien. Dass aber Sicherheitsbehörden gefährliche Verschwörungen aus dem Hut zaubern, sollte in einem Rechtsstaat eigentlich undenkbar sein.
Manche Beobachter glauben, dass Monika Harms die Terrorbekämpfung nicht so wichtig sei und sie sich mehr für Steuerrecht und die Justizpersonalpolitik der CDU interessiere. Selbst wenn dies zutreffend wäre, hieße das, dass Harms ihren Laden nicht im Griff hat - auch das ein Armutszeugnis. Wahrscheinlicher ist aber, dass Harms die wichtigen Entscheidungen selbst getroffen hat. Wenn im Vorfeld eines Ereignisses wie des G-8-Gipfels groß angelegte Hausdurchsuchungen bei den radikalen Gegnern angeordnet werden, ist dies politisch und grundrechtlich so heikel, dass dies kein Referats- oder Abteilungsleiter allein entscheidet.
Kritiker aus der Bewegung, aber auch von Grünen und Linken glauben, dass es Harms um die Einschüchterung der Globalisierungskritiker ging. Doch da ihre Maßnahmen absehbar das Gegenteil bewirkten - die Mobilisierung gegen den G-8-Gipfel wurde nach den Razzien erst richtig beflügelt -, ist diese Annahme unwahrscheinlich. Viel eher dürfte Harms die inflationären Terrorvorwürfe dazu benutzt haben, militante Bewegungen auszuforschen und die Zuständigkeit nicht an die Staatsanwaltschaften der Länder abgeben zu müssen. Dass dabei Personen und Bewegungen unnötig als "Terroristen" stigmatisiert wurden, nahm sie mehr oder weniger billigend in Kauf.
Juristische Folgen hatten diese Schlappen für Harms nicht. Hierfür hätte ihr der BGH schon Rechtsbeugung, also eine absichtlich falsche Anwendung des Rechts, oder eine gezielte Manipulation von Ermittlungen vorwerfen müssen. Davon war das Gericht weit entfernt. Stattdessen machte Klaus Tolksdorf, der Vorsitzende des BGH-Staatsschutzsenats, oft Zugeständnisse an Harms. Im mg-Verfahren durfte die Bundesanwaltschaft wegen der "besonderen Bedeutung des Falles" weiter ermitteln. Beim Internet-Dschihadisten Ibrahim R. entdeckte der BGH einige Fälle von "Werbung um Unterstützung" von al-Qaida, sodass er doch nach Paragraf 129 a angeklagt werden konnte. Erst im G-8-Beschluss verzichtete der BGH auf solche Konzessionen. Vielleicht um zu zeigen, dass es jetzt wirklich genug ist.
Noch etwas anderes spricht dagegen, in Monika Harms eine Art Justizrambo zu sehen: Fast alle Maßnahmen, die der Dritte Strafsenat des BGH beanstandete, waren zuvor vom Ermittlungsrichter des BGH gebilligt worden. Und auch Harms Vorgesetzte, Justizministerin Brigitte Zypries (SPD), scheint die harte Linie gegen militante Protestbewegungen bereitwillig mitgetragen zu haben.
CHRISTIAN RATH
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