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Chef der tschechischen ChristdemokratenComeback als Roma-Feind

KDU-CSL-Vorsitzender Jiri Cunek will die traditionellen Familienclans der Roma zerschlagen und droht Angehörigen der Minderheit mit Kürzung von Sozialleistungen.

Anti-Roma-Hardliner Jiri Cunek (re) mit einem Rom, der gegen ihn und seine Politik demonstriert. Bild: dpa

PRAG taz Jiri Cunek, der Vorsitzende der tschechischen Christdemokraten, weiß, wer in seinem Land die Menschenrechte missachtet: Die Roma. Die traditionelle Roma-Kultur und ihr Wertesystem stünden in vielen Fällen im Widerspruch zu den grundlegenden Rechten und Freiheiten des Menschen, erklärte Cunek auf einer Tagung seiner Partei am vergangenen Freitag. Diese würden dadurch verletzt, so Cunek, dass die Roma in Familienclans zusammenlebten.

Der kontroverse Politiker, der seine Karriere auf ein hartes Vorgehen gegen die Roma-Minderheit aufgebaut hat, hat auch eine Lösung parat. Das einzige Mittel, mit dem man das Verhalten einzelner Familien ändern wird, sei, diese Familien zu trenen und über das ganze Land zu verteilen, so dass auf zehn Tschechen ein Rom komme, sagte Cunek.

Jetzt hofft er, dass nicht nur die tschechische Regierungskoalition, an der die KDU-CSL beteiligt ist, seine Assimilationspläne unterstützt, sondern auch die Europäische Union. "Die Regierung, Eurofonds und billige Wohngelegenheiten können jungen Roma helfen, sich von ihren traditionellen Familien zu lösen, die sie demotivieren", meinte Cunek. Die bisherige Roma-Politk der Koalition aus Bürgerpartei (ODS), Christdemokraten (KDU-CSL) und Grünen (SZ) sei "ein trauriges Kapitel", so Cunek. Denn während die Regierung plant, das Zusammenleben von Roma und so genannten "weissen Tschechen" mit Hilfe einer "Agentur gegen die soziale Ausschliessung" zu verbessern, würde Cunek die traditionelle Roma-Kultur am liebsten ganz auslöschen. "Alles muss darauf ausgerichtet sein, die Strukturen dieser Gemeinschaft zu ändern," forderte Cunek.

Konkret schlägt er vor, Sozialleistungen, auf die die überwiegende Mehrheit der tschechischen Roma mangels Arbeits- und Bildungschancen angewiesen ist, nur denen auszuzahlen, die bereit sind, gemeinnützige Arbeiten zu verrichten. Wer nicht arbeiten will, der sollte nur das Existenzminium bekommen und seine Kinder in Tagesheime geben, fordert Cunek.

Er selbst musste 2007 von seinen Posten als Vize-Ministerpräsident und als Minister für Regionalentwicklung zurücktreten, weil er unberechtigt Sozialleistungen in Anspruch genommen hatte. Seitdem bemüht sich Cunek verzweifelt um seine Rückkehr in die hohe Politik.

Roma-Vertreter und Oppositionspolitiker sehen in Cuneks Assimilierungsforderungen nichts weiter als einen letzten Versuch des Christdemokraten wieder einen Platz an der Sonne zu ergattern. Dass der Weg dahin kürzer sein kann, auch wenn er über dünnes Eis führt weiss Cunek ganz genau. Denn Roma sind eine ungeliebte Minderheit in Tschechien. Laut Umfragen lehnen drei Viertel der Tschechen sie als Nachbarn ab.

Im Herbst 2006 schaffte Cunek innerhalb von Wochen den Sprung vom Provinzbürgermeister eines mährischen Kaffs namens Vsetin zum Vorsitzenden der Christdemokraten. Sprungbrett für die Karriere waren seine Aktionen gegen Roma, die er aus Vsetin in Container jenseits der Stadtgrenzen umsiedeln liess. Er sei eben wie ein Arzt, der eine Geschwulst entferne, erklärte Cunek damals diese Entscheidung.

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7 Kommentare

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  • A
    Anne

    @ HER:

    So, so, Deine - wie Du es nennst - "grün-pink-karierte Zivilisation" hälst Du also für ethisch vollkommen, perfekt ...!? - echt peinlich.

  • RS
    Robert Schell

    @HER

    Die Frage ist nur, was soll man denn tun, wenn Integrationspolitik nichts nützt? Eiserner Besen? Erziehungscamps?

     

    Die Segregation jeglicher Art ist hier (im Osten, wenn sie so mögen) viel tiefer als alles, was im Westen bisher bekannt ist! Ich kann sie immer wieder darauf hinweisen, dass sie sich die Statistiken anschauen, angefangen von der Arbeitslosenquote (in manchen Dörfern 100%!), die Analphabetenquote, die Geburtenrate, GDP usw. Oder sie begeben sich nach einem romantischen Aufenthalt in Prag oder Budapest in diese Gebiete, sie werden nicht umsonst staunen. Es handelt sich hierbei nicht um eine Transitionserscheinung, das Problem ist viel komplexer. Und es ist vollkommen falsch, Parallelen zu den Migranten in West-Europa zu ziehen.

    Eiserner Besen und Erziehungscamps werden natürlich niemanden nützen, ich hoffe auch sehr, dass Sie mir solche Lösungsvorsätze nicht unterstellen möchten.. Es gibt kein Rezept für ein so komplexes Thema. Leider gibt es auch keine Beispiele, nirgendwo auf der Welt, wo man solche Segregationen überwunden konnte/hat. Nicht weil diese nicht lösbar wären, schlicht deswegen, weil zu wenig Interesse vorlag, zumindest behaupten das meine Professoren an der Uni. Sollte jemand hierzu mit einem konkreten Beispiel widersprechen können, dann her damit!

    Kurzgefasst: die Osteuropäer werden, wenn sie wollen, zu diesem Thema fast ein Neuland betreten (müssen). Lösungen finden können sie nur gemeinsam, nicht durch Alleingänge. Geduld, Toleranz und Geld, das sind die Schlüsselwörter. Amen ;-)

  • H
    HER

    p.s: Ihr Satz "Allerdings hat tatsächlich jede(!) existierende Kultur & Tradition (die Grenzen sind außerdem nie eindeutig) Anlass, sich selbstkritisch zu fragen, was an ihr gemessen an bestimmten Maßstäben verbesserungswürdig ist[.]" ist nur fast wahr. Nennen Sie mir nur einen einzigen Punkt der an meiner grün-pink-karierten Zivilisation zu kritisieren wäre!

     

    Kein einziger Völkermord - Kein bisschen Sexismus - Kein Stückchen Unterdrückerisch!

     

    Schließen Sie bitte nicht von sich auf alle.

  • H
    HER

    Lieber Herr Wagner,

     

    Sie haben mich überzeugt und ich stimme ab jetzt den folgenden Sätzen von Herrn Schell zu:

     

    "Es gibt ein 'Roma-Problem' in Mittel-Ost-Europa[.]"

     

    "Man traut sich kaum vorzustellen, was das an Konfliktpotenzialen in sich birgt, wenn sich in den Lebensverhältnissen nichts ändert."

     

    Wobei ich Ihnen selbstverständlich zustimme, dass der einst vollkommen ernst gemeinte Kommentar von mir gefährlichste Stereotype (Anti-Weißismus) anspricht, welche in der deutschen Geschichte fatalste Folgen gezeigt hatten (z. B.: Völkermord an den Deutschen durch Juden, Roma und Herero; und wer regiert noch heute Deutschland? Eine Koalition aus Schwarzen und Roten!!!), während Herr Schell ein mir für Europäer/Deutsche vollkommen unbekanntes und erfrischend neues Bild von Roma zeichnet.

     

    Ich bin zwar selbst grün-pink-kariert und von daher Weißen gegenüber äußerst "skeptisch" eingestellt, aber von dem Ziel der Lösung des Weißen-Problems werde ich von nun ab Abstand nehmen und mich Herrn Schell anschließen und bezüglich der Roma gilt für mich ab heute:

     

    "Eine Integrationspolitik, wie sie im Westen oft diskutiert wird, wird aber auch nicht viel lösen können, zu sehr haben sich die Probleme durch die Jahrzente verfestigt."

     

    Die Frage ist nur, was soll man denn tun, wenn Integrationspolitik nichts nützt? Eiserner Besen? Erziehungscamps?

     

    Aber ein Problem habe ich dennoch mit Ihrem Kommentar: Wie kommen Sie auf die Idee, dass ich falsche Stereotype reproduziert hätte?

     

    MfG

  • BW
    bernhard wagner

    Der Kommentar "Von HER" reproduziert mit der Kategorie "Weiß" u.s.w. eben solche falsche Stereotype, die ein Teil der Probleme sind, statt sie zu überwinden. Was manche sog. Christdemokraten betrifft, die heute die Menschenrechte zu verteidigen behaupten: In Texten des Neuen Testaments und bei sog. "Kirchenvätern" mit ihren z.B. oft frauenfeindlichen und antijüdischen Vorurteilen und Hetzschriften (Chrysostomos, Luther u.a.) stehen auch etliche Dinge, die mit den UNO Menschenrechtserklärungen schwer vereinbar sind (aber natürlich kann man Texte hinbiegen, bis sie passen). Allerdings hat tatsächlich jede(!) existierende Kultur & Tradition (die Grenzen sind außerdem nie eindeutig) Anlass, sich selbstkritisch zu fragen, was an ihr gemessen an bestimmten Maßstäben verbesserungswürdig ist - von Verstümmelung der weiblichen Genitalien bis zu autoritär-zwanghafter Kindererziehung, Ausbeutung, Umweltzerstörung etc.

    Auch der Begriff "Demokratie" ist nicht einfach von Prometheus vom Olymp geholt worden und global ist die Sklaverei de facto bis heute nicht abgeschafft, was manche Christdemokraten noch gar nicht bemerkt haben.

  • H
    HER

    @Robert Schell:

     

    Nö!

     

    Würde eher sagen, es gibt weltweit ein Weißen-Problem.

     

    ...Man traut sich gar nicht vorzustellen, was das an Konfliktpotenzial in sich birgt, wenn sich nicht bald was an den globalen Machtverhältnissen ändert!

  • RS
    Robert Schell

    Es gibt ein "Roma-Problem" in Mittel-Ost-Europa, leider wird dies im Westen nicht genügend ernst genommen. Hauptursache ist natürlich die Jahrzente/Jahrhunderte lang andauernde Ausgrenzung durch die Mehrheitsbevölkerung, als Antwort entstand und verfestigte sich eine Parallelgesellschaft der Roma, die man heute zweifelhaft versucht zu durchbrechen. Cuneks populistische Aussagen oder sogar Maßnahmen werden mehr schaden als nützen. Eine Integrationspolitik, wie sie im Westen oft diskutiert wird, wird aber auch nicht viel lösen können, zu sehr haben sich die Probleme durch die Jahrzente verfestigt. Europa muss dieses Thema endlich ernst nehmen, die betroffenen Staaten erst recht. Ich glaube kaum, das dies durch Alleingänge gelöst werden kann. Tschechien muss sich mit der Slowakei, Ungarn, Rumänien und all den anderen betroffenen Ländern zusammentun. Was man brauchen wird ist viel Geduld, Toleranzbereitschaft und sehr viel Geld, vor allem aus Brüssel. Viel Zeit bleibt nicht mehr. Es reicht, wenn man sich ein paar Statistiken anschaut. Die GDP-Daten in den Regionen mit großem Anteil der Roma-Bevölkerung sind verheerend, erst Recht die Daten über Schulbildung, nur eine Minderheit beendet die 8.Klasse! Die Geburtenrate in diesen Regionen ist vergleichbar mit denen der Entwicklungsländer, wie Tschad z.B. Im gleichen Zeitraum sinkt die Bevölkerungszahl der sog. "Weißen". Welche verhätnisse hier in 15-20 Jahren eintreten werden, braucht man sich erst garnicht auszumalen, vor allem wenn die Landflucht einsetzt, denn zur Zeit leben die meisten Roma in abgelegenen, ländlichen gebieten. In 20 Jahren schätzt man, wird jeder 5. Jugendliche in Ungarn ein Roma sein. Man traut sich kaum vorzustellen, was das an Konfliktpotenzialen in sich birgt, wenn sich in den Lebensverhältnissen nichts ändert. Das wichtigste aber ist, das die "weiße Mehrheitsbevölkerung" erkennt, dass als aller Erstes sie an ihrer tief verwurzelten Intoleranz einiges zu ändern hat! Nicht nur gegenüber Roma. Und Cunek macht genau das Gegenteil, leider.