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"Vanity Fair" nach PoschardtMit beigelegtem Lippenstift

"Vanity Fair" soll seriöser werden und von der feminineren Italien-Ausgabe lernen. Und wie ist die erste Ausgabe nach dem Poschardt- Rauswurf?

Soll noch neuer werden: "Vanity Fair". Bild: dpa

Auf dem "Flohmarkt der Nettigkeiten" (Spiegel) tut sich etwas: Schon die erste Vanity-Fair-Ausgabe nach dem plötzlichen Rauswurf von Chefredakteur Ulf Poschardt am vergangenen Freitag kommt sichtbar anders daher - was nicht nur am fehlenden Editorial aus Poschardts Feder liegt.

Möglicherweise ist das neue Heft schon ein Vorgeschmack auf das, was nach Plänen des US-Verlags Condé Nast, in dem Vanity Fair erscheint, aus dem Magazin entstehen soll. Themen der gestern erschienenen Ausgabe: Fidel Castro, WTO-Chef Pascal Lamy, und der Deutschland-Korrespondent der Londoner Times schreibt, wie Altkanzler Schröder sich im Wahlkampf für seine SPD einsetzt. "Die Neuen" jedenfalls, sagt ein Mitarbeiter und meint vor allem den vom Schwestertitel Glamour abgestellten Übergangs-Chefredakteur Nikolaus Albrecht, hätten sich "schon heftig eingemischt".

Am Mittwoch hatte die neue Führung die Redaktion über erste Veränderungen und eine übers Wochenende zusammengeschustert Heftvorlage informiert. Quintessenz: Vanity Fair, vor einem Jahr angetreten als "Ein neues Magazin für ein neues Deutschland", soll weiter den Spagat aus Unterhaltung und Qualität versuchen - nun aber strukturell stärker angelehnt an die italienische Ausgabe.

Die definiert sich seit ihrer Einführung 2003 als Frauenmagazin. Zu etwa 80 Prozent ist die Leserschaft weiblich, der Verlag feiert stolz "den größten Erfolg auf dem italienischen Zeitschriftenmarkt seit zehn Jahren", die Auflage liegt bei rund 250.000 Exemplaren (Deutschland: 188.965) - und diese Zahlen, darauf ist man in Italien stolz, sind echt. Denn die italienische Vanity Fair verzichtet, anders als die Konkurrenz, auf Koppelgeschäfte - man kauft ein Magazin und bekommt ein anderes dazu - oder auf Schnickschnack wie beigelegte Lippenstifte.

Stattdessen schreiben hier einige der prominentesten Journalisten des Landes über harte Themen wie den US-Vorwahlkampf, den Müll von Neapel oder das Abtreibungsrecht. Und im Ressort "Aktuelles" gibt es neben kleinen Meldungen auch ganzseitige Artikel, etwa einen der Schriftstellerin Lidia Ravera über Simone de Beauvoir. Darauf folgt eine Fotostrecke mit dem coolen Jack Dempsey, und die Seiten "Vanity Spy" ähneln einem Klatschmagazin. In diese Kategorie gehört wohl auch die Reportage über Nicolas Sarkozy - ohne Fotos von Carla Bruni.

Bruni ("Königin von Frankreich") schafft es dagegen nun schon zum zweiten Mal hintereinander ins deutsche Heft, das nun aber keinesfalls zum Frauentitel mutieren soll. Zwar will man sich am "schnellen", noch kleinteiligeren Einstieg der Italiener auf den ersten Seiten orientieren. Doch gleichzeitig soll die deutsche Ausgabe künftig ernster und anspruchsvoller werden - und den "Jahrmarkt der Eitelkeiten" (so die wörtliche Übersetzung von Vanity Fair) nicht mehr so oft auf dem Boulevard verorten. Politik und Wirtschaft bleiben, Porträts, Interviews und Reportagen bekommen künftig mehr Platz.

Und personell droht der ohnehin nicht üppig besetzten Redaktion wohl keine konkrete Gefahr - wenngleich man sich in Berlin sicher ist: "Es wird sich viel ändern, allerdings muss sich noch herausstellen, was."

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1 Kommentar

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  • JH
    Joachim Hiller

    Betrifft: Vanity Fair

    Liebe taz-Medienredaktion, bitte erspart uns weitere Berichte über "Vanity Fair". Welcher Teufel reitet euch, seit Monaten ständig über dieses nicht nur für taz-Leser völlig irrelevante Blatt zu schreiben? Hackt doch stattdessen mal auf der völlig überflüssigen Spex herum und deren aufgeblasenem Chefredakteur - oder geht das nicht von wegen "Über Kollegen nix Böses"?