die wahrheit: Neues aus Neuseeland
Mobber, Grabscher und Hammerschwinger im Eis.
Die Antarktis ist ein seltsamer Ort mit seltsamen Bräuchen. Obwohl ursprünglich der einzige Kontinent ohne menschliche Lebewesen, ist das Ende der Welt längst von wenigen besiedelt, wenn auch nur vorübergehend. Auf den nahe beieinander gelegenen Forschungsstationen McMurdo (gehört den Amis) und Scott Base (gehört den Kiwis) gibt es keine Kinder, aber tausend Sicherheitsvorkehrungen und überdurchschnittlich viele Lesben. Bei so viel Testosteron, Kontrolle und Abgeschiedenheit kommt es hin und wieder zu Zwischenfällen, von denen die Außenwelt erst nach Wochen Nachricht erhält.
Kurz vor Weihnachten sorgte ein zwielichter Weihnachtsmann für Unmut im ewigen Eis. Der gute Mann posierte - ausstaffiert mit roter Mütze und falschem Bart - mit seinen Kolleginnen der McMurdo Station auf einem Schneemobil. Was hätte das für ein originelles Foto abgeben, hätte Santa Klaus nicht seine Hände zu offensichtlich auf die wattierten Schenkel und Hüften der Damen gelegt. Wegen "unsittlicher Berührungen" wurde er vors Management zitiert, das den Grabscher verwarnte - immerhin war eine hochkarätige Delegation des United States Antarctic Programme gerade unterwegs gen Süden.
Damit herrschte noch lange keine Ruhe am Südpol. Am Weihnachtstag lieferten sich zwei Schneeforscher am Südpol eine Schlägerei. Der eine trug einen gebrochenen Kiefer davon und musste nach Christchurch ausgeflogen werden, der andere flog ebenfalls - hochkant raus aus dem Job. Leider war das Opfer zuständig für ein neues Computer-System, das die Stromversorgung und Heizung am Südpol sichern soll. Es brach im vergangenen Jahr bei minus 40 Grad zusammen. Das alles konnte den Arzt, der den Computertechniker auf dem Acht-Stunden-Flug ins neuseeländische Krankenhaus begleitete, nicht abschrecken: Er verpflichtete sich für die in wenigen Monaten beginnende Wintersaison auf dem Eis. Vielleicht hat er - wenn permanente Dunkelheit, Kälte und Abgeschiedenheit die Ersten in den beginnenden Wahnsinn treibt - bald alle Hände voll zu tun: Vor fünf Jahren musste die Feuerwehr von McMurdo den Koch der Station überwältigen, der eine Küchenhilfe mit dem Hammer attackiert hatte. Der Mann wurde in einer improvisierten Zelle festgehalten, bis das FBI kam und ihn die USA eskortierte.
Brutal geht es auch bei den anderen antarktischen Lebewesen zu: Ein australisches Forscherteam, das die historischen Hütten am Cape Denison restauriert, wurde Augenzeuge einer brutalen Mobbingaktion. Das Opfer: ein komplett beigefarbener Pinguin. Ihm fehlt der typische schwarze Frack, was ihn zum Freak unter seinen Artgenossen macht. Ein Fotograf berichtete jetzt, dass andere Pinguine auf dem hellhäutigen Außenseiter herumhacken. Die Diskriminierung im ewigen Eis kam der neuseeländischen "Beige Brigade" zu Ohren - eine Truppe von Cricket-Fans, die die cremefarbenen Uniformen der Achtzigerjahre verehren und sich gegen die Verunglimpfung ihrer blassen Lieblingsfarbe wehren. Beige-Brigade-Sprecher Paul Ford will den gepiesakten Pinguin nun adoptieren. "Wir müssen was tun", sagt er. "Schwarze Sprühfarbe ist vielleicht ein Anfang."
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