FDP kritisiert EU-Speicherpläne: Absturzgefahr beim Datenschutz
Fluggastdaten in Europa sollen künftig 13 Jahre lang gespeichert werden. FDP und Grüne lehnen EU-Speicherungspläne aus Datenschutzgründen ab.
Unbegründet. Unverhältnismäßig. Undurchsichtig. So schätzt die FDP die Vorschläge des EU-Justizkommissars Franco Frattini ein, die Daten von Fluggästen bis zu 13 Jahre lang speichern zu lassen. Deshalb fordert die Liberalen den Bundestag in auf, Frattinis Pläne abzulehnen. Einen entsprechenden Antrag beschloss die Parlamentsfraktion der FDP am Dienstag. "Der Vorschlag ist datenschutzrechtlich äußerst bedenklich", sagt Gisela Piltz, innenpolitische Sprecherin der liberalen Bundestagsfraktion,. "Die vorgesehene Speicherung steht im fundamentalen Widerspruch zum Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung."
Drei Dinge kritisieren die Liberalen in ihrem Antrag besonders: Erstens würden viel zu viele Daten von Passagieren viel zu lange gespeichert - nämlich 19 verschiedene Datenkategorien mit bis zu 35 Datensätzen. Darunter sind der Reiseverlauf, Angaben zum Gepäck und die Rechnungsanschrift. Schon jetzt werden einige dieser Daten, wie beispielsweise der Name, die Nationalität und der Geburtstag erhoben und dem Flughafen mitgeteilt, auf dem ein Flieger landen soll. Diese können die Sicherheitsbehörden auch einsehen, um eventuelle Terroristen oder Kriminelle zu erkennen. Doch künftig sollen sehr viel mehr Angaben erhoben und diese auch noch bis zu 13 Jahren gespeichert werden. Bei laufenden Ermittlungen ist sogar noch eine längere Speicherung möglich.
Dabei ist noch völlig unklar, wie der Schutz dieser sensiblen Daten gewährleistet werden soll. Zwar wird in Frattinis Vorschlag auf einen EU-Rahmenbeschluss zum Datenschutz verwiesen, doch den hat das Europäische Parlament bisher noch gar nicht verabschiedet.
Zweitens gäbe es keinerlei Studien oder überhaupt Daten, die belegen würden, dass die Speicherung von Flugdaten dazu führe, Terroristen und Kriminelle effektiver zu fassen. Frattinis Begründung, Sicherheitsbehörden in aller Welt hätten einen zusätzlichen Nutzen festgestellt, sei "unsubstantiiert", heißt es in dem FDP-Antrag. Tatsächlich existieren solche Belege nicht, weil das Abkommen zur Fluggastdatenspeicherung zwischen der Europäischen Union und den USA bisher nicht überprüft wurde. Nur diese Prüfung könnte aber darüber Aufschluss geben, ob die von Frattini vorgeschlagene Maßnahme etwas bringt.
Der dritte Punkt, den die FDP kritisiert, ist dass Betroffene laut Frattinis Speicherungsidee nicht die Option haben, über ihre Daten Auskunft zu erlangen. Auch eine Berichtigung oder Löschung fehlerhafter Daten zu verlangen, ist nicht möglich. "Der Vorschlag sieht nicht einmal eine zumindest nachträgliche Benachrichtigung betroffener Fluggäste über eine erfolgte Datenweitergabe und Gefährlichkeitseinstufung [...] vor", heißt es in dem FDP-Dokument. Aus diesen Gründen "bringt die FDP-Fraktion ihren Antrag noch in dieser Woche in den Bundestag ein", sagt Innenexpertin Piltz, "das Parlament muss die Verabschiedung des Rahmenbeschlusses in Brüssel verhindern."
In ihrer ablehnenden Haltung sind sich die Oppositionsparteien einig. Auch Silke Stokar, Expertin für Innere Sicherheit in der Grünen Bundestagfraktion, hält den Vorschlag zur Speicherung von Fluggastdaten für unnötig und gefährlich. Sie stört sich insbesondere daran, dass auch Angaben gespeichert werden, mit deren Hilfe sich die Bewegungen des Reisenden auch nach seiner Ankunft auf dem Flughafen noch weiter verfolgen lassen. "Der Vorschlag sieht vor, dass auch die Nummer der Kreditkarte gespeichert wird", sagt Stokar, "auf diese Weise kann eine Behörde jemanden durchs ganze Land verfolgen, das ist weder mit deutschem noch mit europäischem Datenschutzrecht vereinbar."
Stokar fragt sich auch wie die Datenbanken beschaffen sein müssen, "dass die Daten von 400 Millionen EU-Bürgern plus der Einreisenden darin erfasst werden können." Und wie sicher solche Datenbanken wohl vor Hackerangriffen sind.
Ob es im Parlament allerdings zu einer Mehrheit für den FDP-Vorschlag reicht, ist fraglich. Die Union steht hinter dem Frattini-Vorschlag. Innenminister Wolfgang Schäuble hat ihn im Januar auf einem Polizeikongress in Berlin verteidigt. Seine Kontrahentin war Justizministerin Brigitte Zypries, die auf dem gleichen Kongress erklärt hatte, die EU-Pläne seien in ihrer jetzigen Form "nicht mit deutschem Verfassungsrecht vereinbar".
Dass die SPD aber dem FDP-Antrag gegen den Frattini-Vorschlag zustimmt, ist mehr als fraglich. Schließlich würden die Sozialdemokraten damit, die große Koalition weiter belasten. Gerade suchen das SPD-geführtes Justiz- und Schäubles Innenministerium nach einer Sprachregelung für den konflikthaltigen Stoff. Exemplarisch für die Zwickmühle der SPD sind die Äußerungen des sozialdemokratischen Innenpolitik-Experten Michael Hartmann. Auf Anfrage sagt er, er begrüße, "dass die EU-Kommission einen Vorschlag für einen Rahmenbeschluss über die Verwendung von Fluggastdatensätzen vorgelegt hat." Andererseits moniert Hartmann die Kernpunkte eben dieses Vorschlages: "Kritisch sehe ich den Umfang der Daten, deren Speicherung Frattini vorschlägt und die von ihm vorgeschlagene Speicherungsdauer."
Dennoch will die FDP an ihrem Antrag festhalten. Damit Frattinis Vorschlag ein Rahmenbeschluss der Europäischen Union werden kann, muss der Ministerrat zustimmen. Und der wiederum müsste eine Ablehnung durch den Deutschen Bundestag beachten. Die Liberalen glauben, dass dies der einzige Weg ist, um die Speicherungspläne effektiv zu verhindern. Dieser Schuss in Richtung Brüssel könnte allerdings auch nach hinten losgehen, glaubt Grünen-Frau Stokar: "Wenn der Bundestag den Vorschlag der FDP ablehnt, dann könnte das in Brüssel sehr leicht als Zustimmung zu Frattinis Plänen gedeutet werden."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!