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Bruce-Darnell-Show in der Kritik"Kein Drama, Baby!"

Bruce kann nichts dafür. Er macht alles wie immer. Aber was hat sich die ARD bei dieser Show gedacht, die aus hübschen Mädchen geschminkte macht?

Die arme, "hässliche" Christina mit ihrem Mentor.

"Christina ist 22 und todunglücklich. Sie fühlt sich hässlich, unweiblich - einfach nicht wohl in ihrer Haut." So kündigte die ARD die erste Kandidatin an, die Modeltrainer Bruce Darnell in der ersten Folge seiner neuen Stylingshow unter die Fittiche nahm. Passender wäre gewesen: "Christina ist 22 und wunderhübsch. Sie hat eine Traumfigur, dafür offenbar psychische Probleme in Form einer verzerrten Selbstwahrnehmung. Macht aber nix, für eine debile Vorabensendung reicht uns das allemal."

Das Problem der Sendung ist ja nicht Bruce. Der hat alles wie immer und somit richtig gemacht: Seine Aufgabe als Stylist und Glücklichmacher ernstgenommen und, du liebe Güte, wer will es ihm vorwerfen, wenn er zu weinen anfängt, wenn es seine zarte Seele überkommt. Das Problem ist vielmehr, dass der Zuschauer sich permanent fragt, wo zur Hölle denn eigentlich das Problem liegt?

Da ist eine hübsche junge Frau, die gerne etwas mehr Oberweite hätte, da ist Bruce, und die mangelnde Dramatik, die sich aus dieser Ausgangssituation ergibt, muss sich die ARD mühsam selbst aus den Fingern saugen. Dies allerdings macht sie so peinlich übertrieben, dass man sich als Zuschauer regelrecht auf den Arm genommen fühlt.

Da versucht Herr Darnell, Kandidatin Christina durch Tanzübungen und "Du brauchst Spaß im Leben"-Rufe von ihrer Schüchternheit zu befreien. So schüchtern, dass sie nicht gerne und äußerst grazil im Bikini und auf High Heels über einen Laufsteg stöckelt würde, ist sie dann aber auch wieder nicht. Auch als die Kandidatin in Unterwäsche für ein professionelles Foto-Shooting posiert, sieht das weniger nach einem Überwindungsakt für sie aus als nach einer Folge von Bruce's ehemaliger Fernsehheimat "Germany's Next Topmodel".

Da kann der Sender noch so sehr den Darnellschen Mottospruch "Drama, Baby!" beherzen und jeden Blick der Kandidatin in den Spiegel mit schnulziger Musik unterlegen, der Sinn dieser Veranstaltung ist einfach nicht zu erkennen. Nachdem die Verwandlung einer gutaussehenden Frau zu einer stark geschminkten Frau im Minikleid abgeschlossen ist, erinnert sich Bruce schluchzend: "Als ich Dich das erste Mal sah, hattest Du einen Rollkragenpullover an." Diesen gefühlsduseligen Wahnsinn mag man ihm verzeihen. Der ARD verzeiht man ihn allerdings nicht.

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4 Kommentare

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  • T
    Tim

    Auch bei Dir Y.Dr wird es eines Tages so weit sein, diese Suche aufzugeben, später wirst Du dich komplett von deinem Fernsehgerät trennen und (falls es noch nicht zu spät ist) wieder anfangen Lebensfreude zu entwickeln.

    Liebe Grüße

  • S
    Sonja

    Mich würde mal interessieren, Frau Stille, wie sehen Sie eigentlich aus?

     

    Die Show holt aus Menschen das Beste heraus. Was ist daran falsch? Wenn Bruce Darnell sagt, dass sich Christina oder wie sie heißt hässlich und unglücklich "fühlt", spricht er damit das subjektive Empfinden der Kandidatin aus.

     

    Und, wenn Sie sich schon über verzerrte Wahrnehmung äußern - wie ist das dann mit Ihrer, Frau Stille. Wenn Sie finden dass eine Kandidatin schön ist, wie sie ist, die Kandidatin sich aber nicht - wer hat denn da Recht?

     

    Es geht dabei nicht in erster Linie um Sie, sondern um die Menschen, die ihre Lebensqualität verbessern wollen. Aber Sie erdreisten sich, ihre Ansicht als "richtig" darzustellen.

     

    Es ist doch gar nicht das Ziel, die Kandidaten dazu zu bewegen, immer geschminkt und auf High Heels durch die Gegend zu latschen. Vielmehr geht es um Seiten an Ihnen, die die Kandidaten selbst noch nicht kennen oder nicht wissen, wie sie diese leben können. Und das wirkt auch in andere Lebensbereiche hinein (Perspektivenwechsel, den Mut Neues zu wagen, Respekt sich selbst gegenüber entwickeln etc.)

     

    Wer immer gebeugt läuft, weil er sich minderwertig und als nicht liebenswert empfindet, versucht Bruce aufzurichten. Stolz ist etwas Gutes, wenn es kein falscher ist!

     

    Es ist mir des weiteren unerklärlich, wie man Ästhetik als so wenig beachtenswert und wertlos darstellen kann.

     

    Zwar leben wir in einer (Medien-)Kultur, die wahre Schönheit verwechselt mit Schönheit, die vom Fließband kommt und damit - vor allem für junge Menschen - ein Irrlicht sein kann. Die Sendung zu vergleichen mit dem Topmodell-Wahnsinn von Klum & Co. o. ä. ist meiner Meinung nach sowas von kurzsichtig.

     

    Aber die eigene (einzigartige) Schönheit und Ästhetik zu entdecken und zu unterstreichen hat etwas damit zu tun, mit wie viel Liebe man anderen entgegentritt.

     

    Erotik ist Schönheit ist Ästhetik ist Liebe ist Kreativität ist Einzigartigkeit.

     

    Schönheit liegt immer im Auge des Betrachters.

     

    Wenn ich nun schon dabei bin, meiner Kritik Luft zu machen, möchte ich noch eine Brücke schlagen zur taz und ihrem politischen Hintergrund.

     

    Denn ich bin der Meinung, dass keine Einstellung, die zu rechts oder links tendiert, in irgendeiner Weise hilfreich ist. Links zu sein bedeutet wohl in erster Linie alles Mögliche schlecht zu reden. Jetzt ist es auch noch die Erotik.

     

    Ich habe an einer "linken" Uni Soziologie studiert, die vor allem für ihre Interdisziplinarität bekannt und beliebt ist.

     

    Leider ist mir das, wenn ich mit Menschen konfrontiert bin, die sich als "links" bezeichnen, oftmals unangenehm. Denn diese Richtung fällt mir so oft als diskriminierend und intolerant auf, dass ich mich frage, wo in aller Welt der Unterschied in dieser Bewegung zu "rechts" sein soll. Die Inhalte sind nur anders, weil sie gegensätzlich sind. Intoleranz, Pessimismus und ideologische Ansichten sind gleich.

     

    Wenn man sich die Nägel lackiert, sich einigermaßen gut kleidet, gern Pumps trägt, keine grünen Haare hat und sich die Achseln rasiert, bedeutet das automatisch, dass man den Kapitalismus lieb hat und sich um die Probleme der Welt keine Gedanken macht.

     

    Ich frage mich, wann wir endlich aufhören, uns in links, rechts, oben oder unten zu polarisieren und das entwickeln, was jeweils in uns ist. Eigener Geist, eigene Meinung, eigenes Bewusstsein, eigene Emotionen.

     

    Wenn wir uns alle mal auf das konzentrieren würden, was Freude ist und tatsächlich Liebe macht, schaffen wir damit zusammen eine Energie die einen Multiplikatoreffekt hätte. Und zwar in alle Bereiche des Lebens.

     

    Aber damit müsste mal jeder bei sich selbst anfangen, im Kleinen, und der alten einsamen Nachbarin zu Ostern ein Stück Kuchen vorbeibringen und mit ihr Kaffee zu trinken.

     

    So, ich habe fertig. :-)

     

    Vielen Dank für die Aufmerksamkeit und nix für ungut.

     

    Schöne Eiertage!

  • A
    anna

    Das Problem bei dieser Show ist, dass man keine konkreten Tipps erhält (wie z.B. bei der BBC Erfolgsshow "What not to wear"). Die Kandidation bekommt neue Kleider, eine neue Frisur und Bruce bietet Drama. Der Zuschauer kann aber leider nichts für sich herausziehen. Schade...lohnt sich leider nicht zu schauen.

  • YD
    Yvonne Drechsel

    Ich bin ganz Frau Stilles Meinung und kann an dieser Stelle nur einmal mehr die Frage aufwerfen, wohin sich denn unser Fernsehen aktuell und zukünftig bewegt!? Darnells Show hätte man ohne Verwunderung in der Programmankündigung der Privaten hingenommen, aber das nun das öffentlich-rechtliche Fernsehen im Niveau eine derartige Tauchfahrt beginnt, dass wir uns selbst hier mit einer solchen oberflächlichen Ablenkungsunterhaltungsprogrammatik konfrontiert sehen müssen ist einfach nur traurig! Vor allem, wenn man die mittlerweile strapaziös gewordene Suche nach niveau- und anspruchsvollen Informationssendungen im Abendprogramm, welche vor 23 Uhr ausgestrahlt werden, noch nicht ganz aufgegeben hat.