Streiktagebuch: "Nichts Halbes und nichts Ganzes"
Sabine Bulla fährt seit 21 Jahren Bus bei der BVG. Dass Ver.di den Streik erst mal abbläst, ärgert sie sehr.
"Ich bin richtig enttäuscht, dass ab Freitag überhaupt nicht mehr gestreikt werden soll. Wir haben doch noch gar nichts erreicht. Das ist nichts Halbes und nichts Ganzes. Wozu bin ich denn in der Gewerkschaft, wenn die nicht den Mut hat, das durchzuziehen? Da kann ich mir die 25 Euro Mitgliedsbeitrag im Monat auch sparen.
Meine Kollegen sehen das genauso. Wir finden es sehr gut, dass die Mitarbeiter in der Verwaltung, aber vor allem in den Werkstätten noch im Ausstand sind. Die Busse können im Moment nicht repariert und betankt werden. Immer mehr bleiben im Depot. So hätten wir bis Ende der Woche den Busverkehr wohl wieder zum Erliegen gebracht. Das wäre doch was gewesen!
Heute bin ich um 2.25 Uhr raus aus den Federn und zur Arbeit. Schon morgens hat man gemerkt, dass immer mehr Busse ausfallen, weil sie nicht gewartet werden. Ich habe den 285er bekommen, später den M 85 von Lichterfelde zum Hauptbahnhof. Bei mir lief alles glatt. Aber zwei Kollegen, die auch für den M 85 eingeteilt waren, konnten gar nicht erst los, weil sie kein Fahrzeug bekamen. Wenn auf einer Linie zwei Busse ausfallen, müssen die Leute eine halbe Stunde warten. Ich kann schon verstehen, dass die das nervt.
Trotzdem hätte ich es besser gefunden, wenn weitergestreikt würde - auch wenn der Regierende Bürgermeister und sein Senator diese Woche im Urlaub sind. Manche Kollegen sagen: Die hauen ab, und wir müssen zusehen, wie wir klarkommen. Vielleicht hätte Ver.di sich das vorher auch besser überlegen müssen. Es war schließlich bekannt, dass Osterferien sind.
Jetzt bin ich ganz schön müde. Bis Samstag muss ich noch Bus fahren, ab Ostersonntag habe ich dann ein paar Tage frei."
Die taz begleitet Sabine Bulla durch den BVG-Streik, der ab Freitag ausgesetzt wird
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