Rad-Lobby: "Der ADFC wird kritischer"
Die neue Fahrradclub-Chefin Sarah Stark will dem Senat stärker Contra geben und so das Profil des Vereins schärfen. Die Probleme der Berliner Radfahrer im Alltag sollen im Vordergrund stehen.
taz: Frau Stark, Sie haben Benno Koch an der Spitze des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) Berlin abgelöst. Was unterscheidet Sie von Ihrem langjährigem Vorgänger?
Sarah Stark: Ich denke, dass ich teamfähiger bin. Ich will den ADFC nicht im Alleingang leiten, sondern die Arbeit auf verschiedene Schultern verteilen und das Ganze so wieder auf eine breitere Basis stellen.
Was wird sich inhaltlich verändern?
Ich möchte mich stärker auf den Berliner Radverkehr konzentrieren und weniger auf Fahrradtourismus. Da hat Benno Koch gute Arbeit geleistet. Aber mir ist wichtiger, dass sich die Situation für die Radfahrer im Alltag verbessert. Wir wollen versuchen, in den Bezirken weitere Stadtteilgruppen aufzubauen, die sich für eine gute Infrastruktur vor Ort einsetzen.
Das klingt nicht nach einer radikalen politischen Neuausrichtung.
Nein. In der verkehrspolitischen Arbeit des ADFC wird es keinen Bruch geben. Ich bin seit acht Jahren im Vorstand, habe die bisherige Linie mitgeprägt und will sie auch in Zukunft fortführen. Damit waren wir schließlich erfolgreich. Wir sind in den vergangenen Jahren stark gewachsen, der Verein hat inzwischen mehr als 10.000 Mitglieder.
Koch war nicht nur ADFC-Chef, sondern gleichzeitig Fahrradbeauftragter des Senats. Wollen Sie auch beide Ämter?
Nein. Ich halte diese Doppelfunktion eher für problematisch. Wenn ich eine andere Meinung habe als der Senat, kann ich die sicherlich leichter vertreten, wenn ich nur ADFC-Chefin bin.
Das heißt, Sie wollen dem Senat stärker Contra geben als Ihr Vorgänger?
Ich denke schon, dass wir kritischer sein werden. Ich möchte das Profil des ADFC wieder schärfen. Natürlich ist auch mir die Kooperation mit dem Senat und den Bezirken sehr wichtig, die Verwaltungen setzen die Verkehrspolitik schließlich um. Doch wenn es nötig ist, werden wir protestieren. Wir werden beispielsweise ein Auge darauf haben, dass der Senat seine Radverkehrsstrategie für Berlin mit den 20 vorgesehenen Routen auch umsetzt.
Benno Koch war in den Medien sehr präsent. Immer wenn es etwas zum Thema Fahrrad zu sagen gab, hat er sich zu Wort gemeldet. Sie sind voll berufstätig und werden weniger Zeit haben.
Das stimmt. Ich werde nicht alles selber machen können. Aber gerade deshalb ist es wichtig, dass ich mehr Aktive in die Vereinsarbeit einbinde. Es wäre doch schön, wenn nicht nur eine, sondern mehrere Stimmen für den Radverkehr sprechen.
Wird das den ADFC nicht schwächen?
Ich denke nicht. Zusammen kann man viel mehr bewegen als alleine, weil man auch mehr Ideen hat.
Sie sind für zwei Jahre gewählt. Welches Ziel wollen Sie bis 2010 erreichen?
Zuletzt kam der Radverkehr in Berlin auf 12 Prozent. Der Senat will diesen Anteil bis 2010 auf 15 Prozent erhöhen. Und ich werde alles dafür tun, dass das klappt.
Sie wollen nicht mehr als der Senat?
Ich denke, in dieser kurzen Zeit ist das schon ein ehrgeiziges Ziel. Langfristig sollte der Anteil der Radfahrer aber natürlich steigen. Berlin ist dezentral strukturiert, die meisten Wege sind nur drei bis fünf Kilometer lang. In anderen deutschen Städten, beispielsweise Münster, ist jeder fünfte Verkehrsteilnehmer ein Radfahrer. Ich denke, das ist auch in Berlin möglich. Dafür bräuchten wir aber mehr Radwege und mehr Fahrradstraßen.
Fahren Sie selbst immer Rad?
Meistens schon, manchmal steige ich damit auch in die S-Bahn. Am Tag lege ich im Schnitt 15 Kilometer auf dem Rad zurück. Dabei mache ich immer wieder die Erfahrung: Es gibt nur einen begrenzten Raum in der Stadt. Momentan haben Radler einfach zu wenig Platz.
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