Liberale Schulpolitik: "Keine Frage des Geldbeutels"
Der Staat soll private und staatliche Schulen finanziell gleichstellen, fordert Mieke Senftleben von der FDP. Schulgutscheine sollen dafür sorgen, dass arme Familien sich Privatschulen leisten können.
taz: Frau Senftleben, sind freie Schulen die besseren Schulen?
MIEKE SENFTLEBEN, 55, ist Mathematiklehrerin, sitzt seit 2001 für die FDP im Abgeordnetenhaus und ist deren bildungspolitische Sprecherin.
Mieke Senftleben: Momentan stimmen die Eltern offensichtlich mit den Füßen ab. Auf einen Platz an einer Schule in freier Trägerschaft kommen im Durchschnitt drei Bewerber. Das zeigt, dass Eltern mit der staatlich organisierten Bildung höchst unzufrieden sind und freie Träger Bildung offenbar zufriedenstellender organisieren.
Sie wollen die Privatschulen noch stärker aufwerten: Der Staat soll sie finanziell genauso behandeln wie seine eigenen Schulen. Mit welchem Ziel?
Die Wahlfreiheit zwischen staatlichen und freien Schulen darf keine Frage des Geldbeutels sein: Wir wollen, dass alle Familien diese Auswahl haben. Deshalb wollen wir alle Schulen in die Freiheit entlassen, damit die staatlichen Schulen besser und konkurrenzfähig werden. Die bestehende Situation ist ja auch für diese Schulen unbefriedigend, sie werden gegängelt, es gibt viel Bürokratie. Wir wollen eine vielfältige Bildungslandschaft mit vielen verschiedenen Konzepten. Wenn freie und staatliche Schulen finanziell gleichgestellt werden, entsteht Wettbewerb. Der kommt auch den staatlichen Schulen zugute. Analog hat es ja auch im Kita-Bereich funktioniert. Die Übertragung der öffentlichen Kitas an freie Träger hatte einen positiven Wettbewerbseffekt. Die Ängste, gerade auch der Linken, haben sich nicht bewahrheitet.
Schulgeld für freie Schulen wäre dann passé?
Die Träger sollen sich entscheiden können, ob sie sich wie momentan auch durch Schulgeld finanzieren oder über einen Schulgutschein. Den würde die Verwaltung den Eltern aushändigen, die sich damit eine passende Schule aussuchen. Diese Schule würde ihre Kosten zu 100 Prozent vom Staat erstattet bekommen und auf zusätzliches Schulgeld von den Eltern verzichten.
Warum sollen Träger das machen, wo sie jetzt schon so viele Bewerber haben?
Viele Träger reizt es, diesen Weg zu gehen. Durch den Verzicht auf Schulgeld wären sie auch für sozial schlechter gestellte Menschen attraktiv und könnten ihre Konzeptionen in sozialen Brennpunkten verwirklichen.
Kritiker befürchten, bildungsbewusste Eltern würden ihre Kinder auf die Schulen mit dem besten Ruf schicken, während sich die Gettobildung in sozial problematischen Stadtteilen verschärfen würde.
Diese Gefahr sehe ich nicht. Denn eins ist klar: Der Schulgutschein muss differenziert ausgestellt werden. Schulen, an denen Kinder mit höherem Förderbedarf lernen, müssen wir finanziell besser ausstatten. Sonst ist es für freie Träger nicht attraktiv, sich in einem sozial schwierigen Kiez niederzulassen.
Dennoch: Das Gutschein-Modell ist prima für bildungsinteressierte Eltern. Verlierer wären die Kinder von bildungsfernen Familien.
Mit einem exzellenten Beratungssystem profitieren auch bildungsferne Familien von der größeren Auswahl. Die Schulverwaltung könnte Eltern in den Kitas beraten.
Wie teuer wäre das Gutschein-Modell?
Wahrscheinlich wird es etwas teurer, denn die Schulen brauchen ja mehr Platz und Kapazitäten. Aber langfristig ist gute Bildung unterm Strich immer günstiger als schlechte.
Welche Rolle außer der des Geldgebers spielt der Staat dann eigentlich noch?
Eine wichtige. Der Staat legt die Lernziele fest, und er wacht über deren Einhaltung.
Angenommen in zwei Jahren gäbe es eine schwarz-gelb-grüne Regierung: Welche Chancen auf Verwirklichung hätte das Gutscheinprojekt?
Im Augenblick diskutieren wir noch sehr viel. Aber es gibt auch bei den Grünen viele Verfechter von Schulgutscheinen.
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