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UN-Sonderberater über Welthunger10 Dollar pro Kopf gegen den Hunger

Ein Finanzmodell der Aids-Hilfe könnte Vorbild sein, um den Welthunger zu besiegen, glaubt UN-Sonderberater Sachs. Kredite für Kleinbauern sollen Ernteerträge vor allem in Afrika steigern.

Kredite für Dünger können den Welthunger lindern, meint Sachs. Bild: dpa

NAIROBI taz Mit 10 US-Dollar jährlich pro Bewohner eines Industriestaats ließe sich das Hungerproblem lösen - das ist zumindest die Überzeugung des UN-Sonderberaters Jeffrey Sachs. Damit beziffert er die benötigte Summe auf jährlich rund 10 Milliarden US-Dollar. Sachs ist gleichzeitig Chef des New Yorker Earth Institute an der Universität von Columbia, das sich für eine nachhaltige Entwicklung einsetzt - Hunger und Armut sind die Spezialgebiete des Ökonomen.

Im Mittelpunkt von Sachs Konzept steht ein globaler Fonds, in den die 7 Milliarden Euro pro Jahr fließen sollen. Der Fonds soll dazu dienen, Saatgut, Bewässerungssysteme und Dünger für Kleinbauern zu finanzieren und so die Landwirtschaft auf dem ärmsten Kontinent in Gang zu bringen. "Das Problem in Afrika ist, dass die Leute zu arm sind, um sich auch nur die einfachsten Investitionen leisten zu können", sagt Sachs. Während sich Ernteerträge überall auf der Welt erhöht haben, stagniere der Durchschnittsertrag von Afrikas Äckern seit fünfzig Jahren auf niedrigem Niveau bei 1 Tonne pro Hektar. Im gleichen Zeitraum sei die Zahl der zu ernährenden Bewohner um das Vierfache auf 900 Millionen gestiegen, bis 2050 könnten es 2 Milliarden Afrikaner sein.

Sachs Fonds soll das Geld unbürokratisch direkt an Kleinbauern auszahlen - und damit Regierungsbehörden und ähnliche Geldfallen umgehen. Nach zwei bis drei Jahren, so schätzt Sachs, können aus Zuschüssen Darlehen werden, die die Farmer aus ihren Erlösen zurückzahlen. Das Vorbild hat Sachs 2002 selbst initiiert: den globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria, der als Vorzeigemodell gilt. Geschätzte zwei Drittel der globalen Malaria- und 20 Prozent der Aids-Hilfen werden heute so finanziert. Das Problem: Sechs Jahre später hat die Bereitschaft von Gebern, in neue Instrumente einzuzahlen, stark nachgelassen.

"Das ist so ein Standardsatz: Statt neue Instrumente zu schaffen, sollten wir die bisherigen stärken. Aber die bisherigen Instrumente haben schlicht versagt", kritisiert Sachs. Vor allem am Internationalen Währungsfonds und der Weltbank lässt er kein gutes Haar. Sie hätten, ebenso wie zwanzig Jahre fehlgeleiteter Entwicklungshilfe, zu verantworten, dass Afrikas Landwirtschaft am Boden liege.

Ein politisches Vorbild hat Sachs bereits: Malawi, wo die Regierung vor wenigen Jahren gegen alle Auflagen von internationalen Kreditgebern verstieß und Farmern Kredite für Düngemittel erteilte. "Ein Sack Dünger pro Farmer und gute Wetterbedingungen haben die Ernte binnen eines Jahres verdoppelt." Woher Geberländer das Geld für den Milliardenfonds nehmen können, weiß Sachs auch: aus der Nahrungsmittelhilfe. "Die Lieferung von Nahrungsmitteln ist die am wenigsten nachhaltige Hilfe für Afrika." Geber hetzten derzeit von Notfall zu Notfall und hätten darüber die langfristigen Ziele aus dem Auge verloren. "Für akute Krisen gibt es das große Geld, während die wirklichen Probleme mit Studien abgespeist werden, die irgendwo verstauben." Für den Aufbau der afrikanischen Landwirtschaft müssten Europa, die USA und auch arabische Ölstaaten aber auch neues Geld in die Hand nehmen.

Dass Sachs mit solchen Forderungen in Afrika gut ankommt, überrascht kaum. Kenias Präsident Kibaki äußerte sich ebenso begeistert wie sein tansanischer Amtskollege Jakaya Kikwete, der derzeit der Afrikanischen Union vorsteht. Aber auch aus Brüssel kommt zaghaft Zustimmung. Entwicklungskommissar Louis Michel stehe der Idee sehr wohlwollend gegenüber, heißt es aus der EU-Vertretung in Nairobi. In Brüssel soll Sachs sein Modell bereits hinter verschlossenen Türen vorgestellt haben.

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1 Kommentar

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  • A
    Anne

    Jeffrey Sachs hat Ahnung. Auch sein Buch "Das Ende der Armut" ist immer noch zu empfehlen. Seine Kritik an IWF, Weltbank, Korruption u.s.w. ist offenbar richtig - in Namibia z.B. sollen bald AKW gebaut werden - statt Solaranlagen ... trotz der Uranvorkommen dort ist das eigentlich unfassbar. Kriege sind in Afrika zusätzlich ein gewichtiger Faktor. Die 'Installation' falscher Eliten und Förderung undemokratischer Strukturen während der Kolonialzeit hat damit auch viel zu tun.

    Aids kommt dann v.a. in Afrika ebenfalls zunehmend dazu, wo verstärkt auf Aufklärung wie z.B. in Uganda gesetzt werden sollte - durch mehr dazu ausgebildete AfrikanerInnen, aber gerade Wanderarbeiter stecken sich in Städten bei Prostitution an und schleppen es dann nach Hause u.s.w. Das ist auch ein strukturelles ökonomisch-soziales Problem ('Wanderarbeit' etc.).

     

    Was die Hilfsgelder angeht ist leider die Tatsache des verbreiteten Rassismus zu bedenken (gerade auch bei manchen reichen Leuten, texanische und arabische Ölscheichs etc. inklusive). Die Entw.hilfe sollte in Europa u. Nordamerika auf 1% des BIP steigen, aber v.a. von den reichen Leuten finanziert werden (auch v. Kürzung d. Rüstungshaushalte).

     

    Und Dünger hilft auch nichts, wenn es zu viel auf einmal oder zu wenig regnet. Wassermangel verschärft sich rapide mit dem Bevölkerungswachstum und dem damit verbundenen Brennholzverbrauch, gerade in relativ trockenen Gebieten, die in Afrika ja einen wachsenden Teil ausmachen (Wüstenausbreitung).

     

    Zumindest an Küsten Süd-Angolas, Namibias und einiger anderer Gebiete wäre solar energie basierte Meerwasserentsalzung sehr nützlich, dazu in sehr vielen Gebieten (fast überall jenseits der Regenwälder) gezielte Baumpflanzungen, weil die Wurzeln Erosion mindern und der Schatten Ausdörrung des Bodens reduziert.

     

    Zu dem Thema hab ich neulich auch einen sehr guten Kommentar gelesen:

     

    http://www.taz.de/1/politik/afrika/artikel/kommentarseite/1/reis-vom-speiseplan-gestrichen/?tx_skpagecomments_pi1%5BshowComments%5D=1&tx_skpagecomments_pi1%5BshowForm%5D=1&cHash=d759545608