Gutachten über AKW Asse: Endlager-Flutung gefährdet Umwelt
Wird das atomare Endlager Asse nach seiner endgültigen Schließung geflutet, treten bald radioaktive Gase aus. Das ergibt ein aktuelles Gutachten.
Großbritannien wird deutlich mehr als 90 Milliarden Euro ausgeben müssen, um seine alternden Nukleareinrichtungen zu reinigen. Das berichtete der Rundfunksender BBC am Mittwoch auf seiner Internetseite unter Berufung auf die britische Behörde zur Stilllegung von Atomanlagen (NDA). Noch im vergangenen Jahr war sie von 26 bis höchstens 90 Milliarden Euro ausgegangen. "Wir haben noch eine Menge zu entdecken", sagte der hochrangige NDA-Mitarbeiter Jim Morse. "Wir haben noch gar nicht angefangen, den Atommüll aus den Teilen herauszuholen, wo der Verfall und die Radioaktivität am größten waren." Alleine in den kommenden Jahrzehnten steht laut BBC die Demontage von 19 Einrichtungen an, die zum Teil aus den 1950er-Jahren stammen.
HANNOVER taz Aus dem atomaren Endlager Asse drohen nach der endgültigen Schließung des Salzbergwerks erhebliche Mengen radioaktiver Gase auszutreten. Das hat eine Überprüfung des Konzepts zur Sicherung des einstigen Versuchsendlagers durch das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) ergeben. Demnach könnte bei einer Umsetzung des Konzeptes radioaktives Methangas Oberflächenwasser in der Umgebung derart belasten, dass beim Verzehr von Fischen der zulässige Grenzwert um den Faktor vier überschritten würde.
In das ehemalige Endlager auf dem Höhenzug Asse bei Wolfenbüttel wurden in den 70er-Jahren rund 126.000 Fässer mit schwach- und mittelaktivem atomaren Müll eingelagert. Das für das Endlager verantwortliche Bundesforschungsministerium und das ihm nachgeordnete Helmholtz-Zentrum München wollen das mittlerweile einsturzgefährdete Salzbergwerk zur Sicherung erst mit gesättigter Salzlage fluten und dann endgültig verschließen.
Das Fluten ist billiger und schneller als ein Füllen des Bergwerks mit festem Material oder das Ausräumen der insgesamt 47.000 Kubikmeter radioaktiven Mülls. In dem ehemaligen Salzbergwerk tropft es schon seit 20 Jahren. Zudem gibt es seit zehn Jahren erhebliche Zuflüsse von Salzlauge. Nach Meinung des Betreibers ist die Grube ab 2014 auch einsturzgefährdet.
Die Pläne und Unterlagen des Helmholtz-Zentrums zur Schließung der Schachtanlage wurden nun vom Fachbereich nukleare Entsorgung des BfS in einem 130-seitigen Gutachten überprüft. Das Ergebnis: Der Austritt von radioaktivem Gas würde bereits nach 150 bis 750 Jahren beginnen, also in einem für ein atomares Endlager sehr kurzen Zeitraum, und dann bald sein Maximum erreichen. Vorrangig trete dabei Methan aus, das das radioaktive Kohlenstoff-Isotop C14 enthalte. Das Gas werde teilweise im oberflächennahen Grundwasser gelöst und gelange von dort über den Verzehr von Fischen auch in die menschliche Nahrungskette.
Die Unterlagen des Betreibers hatten allerdings auch für diesen Weg der Radioaktivität am Ende eine Strahlenbelastung errechnet, die mit 0,23 Millisievert (mSv) pro Jahr knapp unter dem Grenzwert von 0,3 mSv liegt. Dabei hatte er aber "Änderungen an den Modellen und Parametern" der für solche Berechnungen maßgebliche Verordnungen vorgenommen, "die nicht durch den Standort selbst veranlasst sind". Vor allem seien in der Strahlenschutzverordnung festgeschriebene Sicherheitsfaktoren nicht zur Anwendung gekommen. Bei Anwendung der Sicherheitsfaktoren liege die effektive Strahlendosis eines Erwachsenen bei etwa 1,2 mSv pro Jahr. "Damit wäre die Einhaltung des Dosiskriteriums von 0,3 mSv pro Jahr nicht mehr gewährleistet", schreibt das BfS.
Die im Asse-II-Koordinationskreis zusammengeschlossenen Kritiker des Endlagers haben jetzt Bundesumweltminister Sigmar Gabriel aufgefordert, alle Vorbereitungen zur Flutung des Endlagers sofort zu stoppen und den Schließungsplan zurückzuweisen. Um spätere Grenzwertüberschreitungen zu verhindern, müsse man den Atommüll dann wieder an die Erdoberfläche holen.
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