Molkereiboykott: Milch macht Landwirte mutig

In Brandenburg streiken 60 Prozent der Milchbauern. Sie blockieren Molkereien, verschenken Lebensmittel und liefern vor allem nicht mehr.

Die Bauern lassen die Milch ab : DPA

Es hat gedauert, bis die Streikfront in Brandenburg geschlossen war - jetzt aber stehen die Milchbauern sprichwörtlich Seit an Seit. Bis zum Dienstagmittag blockierten Traktoren die meisten großen Molkereien im Land. 60 Prozent der Milcherzeuger verweigerten sich einer Lieferung und verschenkten ihre Waren und aufgekaufte Produkte lieber an Bedürftige, erklärte der Landesbauernverband Brandenburg. Der Wille der Landwirte scheint ungebrochen, auch wenn der Boykott bisher nur in wenigen Berliner Supermärkten zu spüren ist (siehe Text unten). "Ich denke, dass der Streik noch die ganze Woche anhält", sagte der Verbandssprecher, Holger Brantsch.

Unterstützung erfuhren die Bauern dabei vom zuständigen Minister Dietmar Woidke. Durch die derzeitigen Preise für Milch würden die Betriebe in Existenznöte geraten, sagte der SPD-Politiker und kritisierte die Marktkonzentration von Handel und Molkereien.

In einige Molkereien rollten bis zum Nachmittag wieder Tankwagen - die waren allerdings oft leer oder nur halb voll. Brantsch zufolge gehen immer mehr Landwirte zu einem Lieferstopp über. Der Uckermärker Johannes Niedeggen vom Gut Kerkow verschenkte seine Milch an Kunden seines Hofladens, andere verfütterten sie ans Vieh. "Meine 5.000 Rinder saufen jetzt auch Milch", sagte Rhinmilch-Geschäftsführer Hellmuth Riestock. Er gibt etwa ein Viertel der 40.000 pro Tag gemolkenen Liter an Rinder und Schweine.

Die Landwirte verstärkten zugleich ihren Protest mit Einkaufstouren in Supermärkte. Rhinmilch spendiert 5.000 Euro am Tag, um die Regale schneller zu leeren; die Milchprodukte gehen an Vereine wie die Neuruppiner Tafel. Die Organisation könne inzwischen keine Frischware mehr aufnehmen, sagte Riestock.

Die Bauern kritisierten allerdings die mangelhafte Abstimmung zwischen den Interessenvertretungen. "In Brandenburg waren wir einfach nicht so ausgeschlafen wie in anderen Ländern", sagte Niedeggen. Hier sei der Widerstand erst richtig angelaufen, als die Kollegen im Süden Deutschlands schon vier Tage protestiert hatten, pflichtete Riesack bei. Der Streik sei vom Bund Deutscher Milchviehhalter (BDM) ausgegangen, der Bauernverband habe sich erst später angeschlossen - nach Ansicht vieler Landwirte zu spät. "Hätten wir von Anfang an an einem Strang gezogen, wäre es weniger chaotisch verlaufen."

Sprecher Brantsch weist die Kritik zurück. Abseits der Öffentlichkeit arbeiteten die Verbände gut zusammen; außerdem sei es seiner Organisation juristisch verboten, direkt zum Boykott aufzurufen. "Jeder soll eigenverantwortlich entscheiden." Über die Blockaden war er daher wenig glücklich.

Die etwa 750 Brandenburger Milchbauern sind teils im BDM, teils im Bauernverband und bisweilen in beiden Interessenvertretungen organisiert. Die Produkte aus den vier großen Molkereien in Gransee (Kreis Oberhavel), Elsterwerda (Kreis Elbe-Elster), Prenzlau in der Uckermark und Karstädt im Kreis Prignitz werden ins ganze Land geliefert. "Das fließt am Markt hin und her", sagte Brantsch. Die Milch in den Berliner Kühlregalen kommt oft von weit her - auch wenn es nicht immer so aussieht: Markennamen wie "Mark Brandenburg" garantieren keine regionale Herkunft. Daher hätten mögliche Engpässe in Berlin wenig mit dem Boykott der Brandenburger Landwirte zu tun. Bisher sei es aber nicht zu Versorgungslücken gekommen, erklärt der Einzelhandelsverband.

Biomilchbauern beteiligen sich bisher kaum am Streik. Sie vermarkten oft selbst und sind nicht auf Molkereien angewiesen, wie Brantsch erklärt.

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