Steuerstreit in der Unionsspitze: Nur nicht nachgeben
Kanzlerin Angela Merkel lässt die CSU im Steuerstreit abblitzen. Doch die Rufe nach einer Entlastung für kleine Einkommen kann Merkel auch in der eigenen Partei nicht unterdrücken.
Echte Wahlkampfhilfe sieht anders aus. Da hatte sich das CDU-Präsidium eigens ins bayerische Erding gleich neben dem Münchner Flughafen bemüht, um der CSU Unterstützung für die Landtagswahl am 28. September zu geben. Da loben beide Parteien in einer gemeinsamen Erklärung ausführlich Bayern als "Erfolgsmodell" und "Vorbild für ganz Deutschland".
Nur in dem einen entscheidenden Punkt hat sich CDU-Chefin Angela Merkel von ihrem CSU-Kollegen Erwin Huber partout kein Zugeständnis abhandeln lassen. "Wir werden zum 1. 1. 2009 das Kindergeld erhöhen und den Kinderfreibetrag anheben", heißt es in dem Papier der beiden Unionsparteien. "Die CDU wird im Frühjahr 2009 ihr Steuerkonzept nach den Maßgaben einfach, niedrig und gerecht vorlegen." Kein Wort von Steuersenkungen noch in dieser Wahlperiode, wie Huber sie verlangt. Auch nicht von der geforderten Wiedereinführung der Pendlerpauschale.
Die Merkelianer in Berlin wollen sich nach der Kehrtwende beim Arbeitslosengeld vor zwei Jahren nicht erneut bei einem zentralen Reformthema eine Kehrtwende aufzwingen lassen. Der Haushaltsausgleich gilt ihnen neben Wirtschaftsaufschwung und gesunkener Arbeitslosenzahl als zentrales Wahlkampfthema für 2009. Das Thema sei eine "Glaubwürdigkeitsfalle", sagt einer, der diese Linie stützt. "Wenn wir die Haushaltskonsolidierung nicht schaffen, dann können wir unsere Schlussbilanz vergessen."
Da sind sich in der Bundestagsfraktion viele Christdemokraten nicht so sicher. Nach Umfragezahlen, die das Institut Infratest in der vorigen Woche für die ARD ermittelte, liegt die CDU/CSU bundesweit trotz SPD-Krise und Kanzlerinnenbonus derzeit nur bei 34 Prozent - und damit unter dem Ergebnis der Bundestagswahl 2005, das in der Union als Desaster galt. Die Wunschkoalition mit der FDP rückt damit in weite Ferne, manchem Abgeordnetem würde bei einem solchen Ergebnis der Verlust des sicher geglaubten Mandats drohen.
"Der Wirtschaft geht es gut, aber bei den kleinen Leuten bleibt nichts hängen" - dieses Grundgefühl hat der Meinungsforscher Klaus-Peter Schöppner vom Bielefelder Emnid-Institut auch bei vielen CDU-Wählern ausgemacht. Mit dieser Befindlichkeit müssen sich auch die Abgeordneten in ihren Wahlkreisen auseinandersetzen.
"Es kommt Bewegung in die Steuerdebatte", ist sich der Abgeordnete Willi Zylajew trotz des gestrigen Merkel-Auftritts deshalb sicher. Der Rheinländer vom Arbeitnehmerflügel CDA macht sich gemeinsam mit den Mittelständlern der Fraktion seit Wochen dafür stark, die "kalte Progression" im Steuertarif abzuschaffen und die Steuertabelle automatisch an die Inflationsrate anzupassen. "Ich bin überzeugt: Bis zum Jahresende haben wir ein Ergebnis", sagte Zylajew.
Auch der Mittelstandspolitiker Michael Fuchs will sich weiter für Erleichterungen im Steuertarif stark machen. Eine Gegenfinanzierung hat er bereits ausgemacht: Durch den Wirtschaftsboom spare Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) pro Jahr rund zwei bis drei Milliarden Euro bei den Eingliederungsmaßnahmen für Langzeitarbeitslosen. "Dieses Geld sollten wir den Bürgern zurückgeben, statt uns neue Maßnahmen auszudenken", sagte Fuchs der taz.
In einem gemeinsamen Brief hatten CDA und "Parlamentskreis Mittelstand" vor gut zwei Wochen auf die Unzufriedenheit in den unteren und mittleren Einkommensgruppen hingewiesen. "Für diesen Personenkreis, der für uns ein wichtiges Wählerpotenzial darstellt, nimmt die Attraktivität der Linken zu", hieß es darin.
Damit steckt die Union in demselben Dilemma wie die SPD, auch wenn sie bislang souveräner damit umgeht. Nach den Zahlen des Demoskopen Schöppner ist die CDU-Anhängerschaft in der Frage, ob die Partei an der Reformpolitik festhalten oder das Soziale stärker betonen solle, exakt in der Mitte gespalten. Will Parteichefin Merkel die eine Gruppe befriedigen, muss sie die andere verprellen - und umgekehrt.
Trotz der Renaissance des Sozialen warnt Schöppner die Kanzlerin vor einem allzu plötzlich Kurswechsel, will sie am Ende nicht als politisches Irrlicht dastehen wie SPD-Chef Kurt Beck. "Vertrauen ist für die Wähler das Entscheidende", sagt der Meinungsforscher. Dazu gehöre auch das Festhalten am Ziel des ausgeglichenen Haushalts. Außerdem sei die Wirkung bis zur Bundestagswahl ohnehin verpufft, wenn die CDU jetzt schon Steuersenkungen in Aussicht stelle.
Bleibt die Frage, ob der Streit mit der Schwesterpartei der CSU bei der bayerischen Landtagswahl eher nützt oder schadet. Da scheint sich das Führungsduo selbst nicht ganz sicher zu sein. "Wir glauben nicht, dass wir von Merkels Gnaden einen Wahlsieg haben, sondern wir werden den alleine in Bayern holen", polterte der sonst so zahme Ministerpräsident Günther Beckstein morgens schon im Fernsehen.
Parteichef Erwin Huber hingegen feierte die ohnehin längst absehbare Erhöhung des Kindergelds als "Signal der Geschlossenheit". Das Bild einer CSU, die in Berlin bloß poltert und nichts durchsetzt, hält Huber anders als der Regierungschef offenbar nicht für wahlkampftauglich.
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