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Hausbesetzung ohne HausDer gekaperte Garten

Eine Freifläche ist seit Samstag in Berlin-Kreuzberg okkupiert. Besetzer pflanzen Bäume und diskutieren, was sie mit dem Gelände machen wollen. Polizei und Bezirksamt halten sich zurück.

Von hier nur noch einmal ums Haus: Die besetzte Fläche liegt hinter dem Bethanien am, Mariannenplatz Bild: AP

"Freiräume besetzen jetzt!" steht auf einem Plakat am Rand des Mariannenplatz. Darunter weist ein Pfeil um die Ecke. Hinter dem Nordflügel des ehemaligen Krankenhauses Bethanien in Kreuzberg haben AktivistInnen am Samstag gegen 15.30 Uhr eine große, bisher eingezäunte Fläche besetzt. Als "Platz zum Leben, als interkultureller Garten, als Ort politischer und sozialer Veranstaltungen sowie nichtkommerzieller Kultur" solle der Platz zukünftig allen interessierten Menschen zugänglich sein, heißt es in einer Erklärung. Auch die Kampagne "Wir bleiben alle" wird erwähnt - sie hatte während der Freiraum-Aktionstage vor zwei Wochen nur wenige Straßen weiter ein Haus besetzt.

Vertreter der Bezirksamtes oder der Polizei lassen sich zunächst nicht vor Ort blicken. So beginnen die Besetzer sich einzurichten. Hannes* pflanzt einen jungen Ahorn. Daneben stehen, frisch gesetzt, Kamille und ein kleiner Rosenstrauch. "Eigentlich wollte ich Sonnenblumen mitbringen", sagt Hannes. "Aber ich habe keine gefunden." Um ihn werkeln etwa 20 Leute, schleppen Steine auf einen Haufen, säubern den Weg, stellen Zelte, zwei Pavillons und Tische auf.

Weiter hinten wachsen Erdbeeren. "Die haben Arbeiter vom Gartenbauamt schon vor zwei Jahren dort gepflanzt", erzählt Karl*. Er zeigt auf ein Beet daneben. "Und die Kohlrabi und Kürbis dort drüben auch." Das Gelände gehöre dem Bezirk, sagt Karl. Bis vor zwei Jahren standen hier noch Bauwagen, dann wurde es geräumt und geschlossen. Im Herbst will der Bezirk hier im Rahmen der Umgestaltung des Mariannenplatzes eine übersichtliche Fläche anlegen. Die Büsche und Sträucher, die das Gelände von allen Seiten überwuchern, sollen dann weg.

Karl gehört zu einer Gruppe, die seit längerem nach einem Gemeinschaftsgarten sucht. Im Frühjahr ist die Gruppe der Einladung des Bezirks gefolgt, an einem Workshop zur Neugestaltung des Mariannenplatzes teilzunehmen. "Aber die StadtplanerInnen haben die Idee eines Gartens sofort abgelehnt", sagt Karl. Die Bürgerbeteiligung sei nicht ernst gemeint. Auch deshalb seien sie heute hier.

Gegen 17 Uhr haben sich etwa fünfzig Leute auf der Fläche eingefunden. Luftballons flattern quer über den Platz, es läuft Musik, unter den Planen der Pavillons gibt es Kaffee und Kuchen. Von der Polizei keine Spur.

"Das ist eine ganz gemischte Gruppe hier", sagt Margot*, die ebenfalls an der Besetzung beteiligt war. Es gebe AnwohnerInnen, die sich bei der Planung des Bezirksamt für den Mariannenplatz nicht ernst genommen fühlten, die keinen übersichtlichen Park hier wollen, sondern einen Platz, den sie selbst nutzen, mitgestalten können. "Aber es sind auch Leute dabei, die gegen die Aufwertung von Kreuzberg protestieren wollen. Und natürlich gegen Mediaspree."

So ist auch noch offen, wie die Besetzer selbst den Platz weiter nutzen wollen. Bei einem Treffen am Sonntagnachmittag diskutieren 40 Menschen drei Varianten. Die einen wollen Bauwagen zum Wohnen. Andere plädieren für den Gemeinschaftsgarten, Dritte wünschen ein Zirkuszelt für Veranstaltungen. "Das ist kein Widerspruch", meint einer.

Wie lange der noch zur Verfügung steht, ist offen. Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) habe telefonisch angekündigt, am Montag über das weitere Vorgehen zu beraten, erzählt einer der Besetzer. Taina Gärtner, Bezirksverordnete der Grünen, haben die Platznutzer schon mal begeistert. "Ich steh voll dahinter", sagt Gärtner. Sie wolle verhindern, dass der Bürgermeister eine Entscheidung ohne Rücksprache mit der Fraktion treffe.

Dann kommt doch noch die Polizei. "Sieht alles ganz friedlich aus", lautet die Bilanz der fünf Streifenpolizisten am Sonntagnachmittag. Solange es keine Beschwerden von Anwohnern gebe, würden sie erst mal nichts unternehmen, sagt einer der Beamten, bevor sie von dannen ziehen.

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