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Stromkonzerne tricksen bei AKW-LaufzeitenStrategie des Stillstands

Wegen Ausfallzeiten geht in dieser Legislatur vermutlich kein Reaktor vom Netz - ganz im Sinne der Betreiber.

"Jeder zusätzliche Stillstand verschiebt das Datum der endgültigen Stilllegung nach hinten": Atomkraftwerk Krümmel Bild: dpa

BERLIN taz Nicht nur in der Bilanz von Vattenfall schlägt sich der Stillstand der Atomkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel mit einem um täglich eine Million Euro verringerten Gewinn nieder. Auch dem Image der Atomenergie haben die Zwischenfälle vom vergangenen Sommer nicht gut getan: Die Versuche der Energiekonzerne, die in einer großen Kampagne als "Deutschlands ungeliebte Klimaschützer" gepriesenen Atomkraftwerke länger am Netz zu lassen, stießen bei der Bundesregierung auf wenig Zustimmung. Ebenso wie in der Öffentlichkeit.

Faktisch sind es aber gerade die stillstehenden Reaktoren, die die Betreiber ihrem Ziel einer längeren Laufzeit näher bringen könnten. "Das Gesetz zum Atomausstieg definiert keine Zeiträume, sondern Reststommengen für jedes Kraftwerk", erläutert Florian Emrich, Sprecher beim Bundesamt für Strahlenschutz (BfS). "Jeder zusätzliche Stillstand verschiebt darum das Datum der endgültigen Stilllegung nach hinten." So ging das von Sigmar Gabriel (SPD) geführte Bundesumweltministerium (BMU) im Jahr 2006 noch davon aus, dass in der laufenden Legislaturperiode - also bis zum Herbst 2009 - insgesamt vier AKWs vom Netz gehen müssen: Biblis A, Neckerwestheim 1, Biblis B und Brunsbüttel. Durch die vielen Stillstände, vor allem bei den älteren Reaktoren, hat sich die Lage seitdem verändert: Allenfalls das AKW Neckarwestheim 1 könnte nach aktuellen BMU-Berechnungen noch kurz vor der nächsten Bundestagswahl im September 2009 vom Netz gehen. Bei Biblis A ist hingegen nicht damit zu rechnen, bei Biblis B und Brunsbüttel ist es durch die langen Stillstandzeiten mittlerweile ausgeschlossen. So steht dem seit einem Jahr stillstehenden Kraftwerk Brunsbüttel nach BfS-Angaben noch eine Reststrommenge von 11 Terawattstunden zu; das entspricht im Normalbetrieb einer Laufzeit von knapp zwei Jahren.

Dass die Betreiber die Stromproduktion in der Hoffnung auf eine atomfreundlichere Mehrheit nach der Wahl absichtlich verringern könnten, hat RWE-Chef Jürgen Großmann im Spiegel kürzlich offen zugegeben: "Wir können den Reaktor in Biblis so fahren, dass wir mit den Restlaufzeiten über die nächste Bundestagswahl kommen."

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5 Kommentare

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  • S
    Schmutti

    Matze schrieb: "Deutschland hat eine Vorbildfunktion"

     

    ..."Am deutschen Wesen soll die Welt genesen" [Emanuel Geibel]

    Das haben schon die Nationalsolzialisten gedacht! Insofern ist der Begriff Öko-Faschismus leider doch nicht so falsch!

     

    Armes Deutschland!

  • M
    Matze

    Großartig, was man mir liest.

     

    Ein Hoch auf die Leute, die auch an kommende Generationen denken.

    Ihnen ist schon klar, dass die "saubere" Kernenergie ein Holzweg ist.

    Ich weiß Strom um jeden Preis, sind ja nur kleinere Übel, die man in kauf nimmt(Gorleben, Tschornobyl).

     

    Und damit ich hier nicht als öko-faschist bezeichnet werde:

     

    ja, es gibt keine wirklichen alternativen zur kernkraft, die auch nur annährend die gleich strom kapazität lieft,

    ja, der ausstieg war zu früh und unüberlegt,

     

    aber bdenken sie, dtl. hat eine vorbildfunktion

    und ein wiedereintritt, würde falsche signale senden.

    des weiteren wäre ein späterer Atomausstieg dann unmöglich (noch größere abhängigkeit, €, lachnummer, weil beim 1-mal gescheitert)

     

    Ich hoffe mal, dass ich keine strahlende Zukunft sehe.

  • WS
    wolfgang stein

    In den europäischen Nachbarstaaten wird der Ausbau

    der Atomkraftwerke verstärkt, und das ist gut. Bleibt zu hoffen, dass nach den nächsten Wahlen

    auch in Deutschland der unsinnige Ausstieg fallen

    wird.

  • V
    vic

    Es gab Zeiten, da haben Politiker Rheinwasser getrunken um medienwirksam zu demonstrieren wie sauber das angeblich ist.

    Es wäre wünschenswert, würde die heutige Politikergeneration ihre Villen im diekten Umfeld von Kernkraftwerden ansiedeln.

    Und es wäre wünschenswert wenn diese Bundesregierung auch nur ein klein wenig taugen würde.

  • S
    Schmutti

    Die Konzerne tun das einzig richtige, sich gegen den "ökofaschistischen" Atom-KONSENS zur Wehr zu setzen!

    Die Vorzeichen damals waren andere als heute, die Regenerativen haben es immer noch nicht geschafft grundlastfähig zu sein und die Politik der AKW-Gegener erzählt immer und immer wieder die gleichen Unwahrheiten!

    ...und der Malte durfte sich mit dem "super" recherchierten und "objektiven" Artikel mal wieder 2,50 € von den idealisierten taz-Zeitungs-Lesern und den taz-Online-Lesern (durch Werbung von EON finanziert) dazuverdienen....WOW!