Forderung nach Zeitplan für Truppenabzug: Obama unterstützt Iraks Regierung
Iraks Forderung nach einem Rückzugs-Zeitplan für US-Truppen findet Zustimmung bei Barack Obama. Hingegen sagt das weiße Haus: Verhandelt wird nicht.
ERBIL taz Barack Obama, demokratischer US-Präsidentschaftskandidat, nutzt die Gunst der Stunde. Er griff jetzt eine Äußerung des irakischen Regierungschefs Nuri al-Maliki auf, der im Zusammenhang mit Verhandlungen über einen neuen Sicherheitspakt Anfang der Woche erstmals die Forderung nach einem Zeitplan für den Abzug der ausländischen Truppen ins Spiel brachte. Unter Verweis auf diese Äußerung sagte Obama nach einem Bericht der Financial Times, das amerikanische Volk wolle einen Zeitplan haben und die irakische Regierung sei bereit, ihre Verantwortung zu übernehmen. Während Iraks Regierung sich bemüht, ihr Profil gegenüber der US-Schutzmacht zu schärfen, versucht Obama, Kritiker zu beruhigen, die ihm vorwerfen, von seinem Kurs eines Truppenabzugs binnen 16 Monaten abzurücken.
Seit März verhandeln Bagdad und Washington über einen Sicherheitspakt, der den Status der US-Truppen regeln soll, wenn zum Ende des Jahres das UNO-Mandat über die Präsenz ausländischer Soldaten ausläuft.
Der nationale Sicherheitsberater Mowaffak al-Rubaie sagte am Dienstag in Bagdad, der Irak werde ein solches Abkommen nur unterzeichnen, wenn es Daten über den Abzug der multinationalen Streitkräfte umfasse. Tags zuvor hatte Maliki vor Diplomaten in Abu Dhabi erklärt, Gegenstand der Verhandlungen mit den USA sei eine Formel über den Abzug der Truppen. "Das Ziel ist, die Truppenpräsenz zu beenden", sagte Maliki laut einer Erklärung seines Büros.
Die Bush-Regierung hat einen zeitlich fixierten Abzugsplan bislang strikt abgelehnt. Ein Sprecher des Weißen Hauses erklärte, dass über einen solchen nicht verhandelt werde. Die Vereinbarung könne jedoch dem Wunsch beider Seiten Rechnung tragen, Truppen abzuziehen, wenn die Voraussetzungen dafür gegeben seien, sagte der Sprecher des nationalen Sicherheitsrats, Gordon Johndroe. Laut einem Abgeordneten von Malikis Dawa-Partei sieht der irakische Vorschlag vor, dass die Amerikaner aus allen Städten abziehen, sobald die Iraker die Kontrolle über die restlichen neun der 18 Provinzen übernommen haben. Danach würde in einem Zeitraum von drei bis fünf Jahren die Lage alle sechs Monate neu beurteilt, sagte Ali Adib. Dies deckt sich im Grunde mit der US-Haltung, die jeden Truppenabzug von der Einsatzfähigkeit der irakischen Sicherheitskräfte abhängig macht. Insofern lässt sich schwer beurteilen, wie weit die Positionen tatsächlich auseinander liegen.
Erkennbar ist jedoch das Bestreben der irakischen Regierung, Kritikern im eigenen Land den Wind aus den Segeln zu nehmen. So haben Regierungsvertreter den Pakt in den letzten Tagen von einem langfristigen Stationierungsabkommen ( "Status of Forces Agreement") auf eine Absichtserklärung ( "Memorandum of Understanding", MOU) herabgestuft. Dass die Regierung auf diese Weise eine hitzige Auseinandersetzung im Parlament umgehen will, deutete Regierungssprecher Ali Dabbagh an, indem er erklärte, in diesem Fall läge die Entscheidung allein beim Kabinett.
Im Irak stehen in diesem Herbst Wahlen zu den Provinzräten an. Als wichtiges Wahlkampfthema hat der radikale schiitische Prediger und Milizenchef Muktada al-Sadr den Abzug der Amerikaner auf seine Fahne geschrieben. Nach den Freitagspredigten haben in den vergangenen Wochen jeweils Tausende von Sadr-Anhängern gegen den Sicherheitspakt protestiert, der in ihren Augen Iraks Souveränität preisgibt. Einflussreiche Vertreter von Sadr begrüßten Malikis Erklärung als positive Entwicklung. Damit hat Maliki fürs erste seine Position im innerschiitischen Machtkampf gestärkt. INGA ROGG
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!