Unternehmen werben um neuen Kontinent: Die afrikanische Alternative
Angela Merkels Besuch in Algerien dient den Interessen der deutschen Wirtschaft. Auch andere afrikanische Staaten werden zunehmend interessant für ausländische Unternehmen.
Nach guten Geschäften sah das auf den ersten Blick nicht aus. Bundeskanzlerin Angela Merkel musste gestern beim Abschied aus Algeriens Hauptstadt Algier ihren Regierungs-Airbus kaputt zurücklassen, nachdem jemand mit der Gangway schwungvoll ein Loch in die Außenwand gefahren hatte. Auch neue Wirtschaftsverträge bahnen sich durch die zweitägige Reise nicht direkt an, sieht man von dem Vertrag über den Bau einer Riesenmoschee und Aussichten auf einen Fregattenverkauf im Wert von 5 Milliarden Euro ab.
Doch hinter den Kulissen waren alle Beteiligten zufrieden. Deutschland entdeckt Algerien als Wachstumsmarkt. Noch vor zehn Jahren stand das Land für Terror und Bürgerkrieg. Heute steht der Ölstaat mit 34 Millionen Einwohnern in einem Wirtschaftsboom. Im letzten Jahr gab es einem Außenhandelsüberschuss von 37 Milliarden Dollar, der Staat hält Devisenreserven von 110 Milliarden. Mit öffentlichen Investitionen von 145 Milliarden Dollar für den Zeitraum 2005 bis 2009 sind gigantische Aufbauprogramme im Gang. Es geht um Autobahnen und Eisenbahnstrecken, Strom- und Trinkwassernetze und Städtebauprogramme.
Vor fünf Jahren gab es 30 deutsche Firmen in Algerien - heute 160. Algerien sei neben Libyen einer der interessantesten afrikanischen Partner für deutsche Unternehmen, sagt Michael Monnerjahn vom Afrika-Verein der Deutschen Wirtschaft. "Die deutschen Unternehmen sind seit Jahrzehnten da", so Monnerjahn. "Wintershall in Libyen liefert konstant 10 Prozent des deutschen Erdöls. Das sind alte Beziehungen und die werden nicht gebrochen, bloß weil ein neuer Partner auftaucht." Der Chef der algerischen Industrie- und Handelskammer, Mohamed Chami, sagte vor dem Besuch, die Treue deutscher Wirtschaftspartner auch in Bürgerkriegszeiten sei ein Vertrauensbeweis.
Das, hofft die deutsche Seite, wird helfen, wenn der Öl- und Gasreichtum Algeriens Begehrlichkeiten weckt - nicht nur bei Kunden, sondern auch bei Investoren in der Modernisierung und Ausweitung von Förderanlagen und Pipelines. Deutschland bezieht rund 17 Prozent seiner Erdölimporte aus Afrika, Tendenz steigend. Die afrikanischen Ölmächte Algerien, Libyen, Nigeria und Angola gehören zu den Handelspartnern, mit denen Deutschlands Außenhandel am schnellsten wächst (siehe Tabelle). Die beiden algerischen Staatsfirmen im Erdöl- und Erdgassektor, Sonatrach und Sonelgaz, beliefern Spanien, Italien, Frankreich und Belgien mit Erdgas. Die bisherigen Lieferungen per Schiff sollen ab 2009 durch eine Mittelmeerpipeline "Medgaz" mit einer Kapazität von 8 Milliarden Kubikmetern jährlich ergänzt werden. Die Tiefseearbeiten dafür begannen im März.
Jetzt interessiert sich auch Eon Ruhrgas für algerisches Gas - die Firma nennt Algerien einen "strategischen Partner" und hat letzten Monat dort ein Büro eröffnet. Algeriens Gasexporte sollen von 64 Milliarden Kubikmetern im vergangenen Jahr auf 85 Milliarden bis 2012 und 144 Milliarden bis 2030 steigen. Aus europäischer Sicht ist das eine attraktive Alternative zur Abhängigkeit von Russland und Gazprom. Es gibt Planungen für eine 4.000 Kilometer lange Transsahara-Gaspipeline, die bis zu 30 Milliarden Kubikmeter Erdgas jährlich aus Nigeria nach Algerien bringen und dort in die Europa-Lieferungen einspeisen soll.
Allerdings hat auch Gazprom das erkannt. Der russische Konzern beteiligt sich an den Ausschreibungen für die Transsahara-Pipeline, plant Milliardeninvestitionen in Nigeria, betreibt gemeinsam mit der italienischen Eni Explorationsprojekte in Libyen und hofft auch auf eine Partnerschaft mit der algerischen Sonatrach. Dieses Jahr vereinbarten die beiden Energiegiganten gemeinsame Investitionen in Drittländern. Die Russen sehen Algerien als Sprungbrett für Afrika.
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