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Neue Reformschule gegründetDer Staatsschule Angst machen

Sie gründete ein preisgekrönte Schule. Nun will die pensionierte Rektorin Enja Riegel noch mehr erreichen: In Wiesbaden eröffnet sie ihre Traumschule - eine Kampfansage an den Staat.

Riegels putzenden Schüler an der Helene-Lange-Gesamtschule sorgten für deutschlandweite Aufmerksamkeit. Bild: dpa

Ihre Schüler mussten die Schule selber putzen. Sie ließ wochenlang den Unterricht ausfallen, damit die Kinder Theater spielen konnten. Ihr Lerncredo lautet: "Leistung muss sich wieder lohnen." Dennoch liegt ihr die reformpädagogische Community zu Füßen. Enja Riegel, Gründerin der preisgekrönten Helene-Lange-Gesamtschule und pensionierte Schulleiterin, eröffnet am Dienstag eine neue Schule. Der "Campus Klarenthal" in Wiesbaden ist eine private Schule. Riegel sagt, dass "die staatliche Schule zittern und Angst haben soll".

Das wird erst mal nicht nötig sein. Denn der 6 Hektar große Campus beherbergt zunächst nur eine Zwergschule. Neben den knapp 40 Kindern der "Kinderhaus" genannten Kita in Klarenthal werden es 46 Fünftklässler sein, die morgen ihren Unterricht antreten. "An diesem Tag sollen die Schüler im Mittelpunkt stehen", sagt die pädagogische Leiterin des Campus, Erika Wey-Falkenhagen. Wenn das Gelände der ehemaligen Gartenakademie erst einmal ausgebaut ist, wird sich zeigen, was Enja Riegel meint, wenn sie sagt: "Ich will an einem guten Modell zeigen, dass Schulen ganz anders arbeiten können als die öffentliche Schule heute."

Für den weitläufigen Campus Klarenthal wird das bedeuten, dass vom Kindergarten bis zum Abitur alles möglich ist. Die Kinder sollen die alte Gartenakademie, die dort zu Hause war, wieder aufleben lassen. Das heißt, sie können Gemüse und Sträucher anpflanzen, sie werden Tiere halten, und sie werden "auch etwas verkaufen können". So sagt es Riegel, die formell Gesellschafterin und Beraterin der Privatschule ist.

Dass sich Schüler ihre Projekte selbst finanzieren, etwa indem sie die Kosten für die Putzkolonne einsparen, das hat Riegel von ihrer mehrfach ausgezeichneten Helene-Lange-Schule übernommen. Einer Gesamtschule, der in Wiesbaden die Eltern die Bude einrennen - obwohl der notregierende Ministerpräsident Roland Koch (CDU) keine Gelegenheit auslässt, das Modell Gesamtschule zu verspotten.

Auch Klarenthal wird eine integrierte Schule sein. Sogar eine, die besondere Kinder, etwa geistig behinderte oder Rollstuhlfahrer, in die normalen Klassen aufnimmt. Die Schule soll, so sagt Wey-Falkenhagen, die Schüler auf keinen Fall nach Leistungsgruppen trennen - Gemeinschaftsschule heißt das heute.

Das Herz des Campus in Klarenthal soll allerdings etwas anderes werden: ein großes professionelles Theater mit 350 Plätzen. Neben der Arbeit in der Natur sei Theater für Schüler das Wichtigste, findet Enja Riegel, "und alles, was dazugehört: die Musik, der Tanz und das Schauspiel." Es wird auch Künstler geben, lebende Vorbilder für die Schüler. "Kinder brauchen herausragende Aufgaben", sagte Riegel jüngst im Deutschlandradio dazu, "wirklich schwierige Projekte, etwas, an dem sie wachsen können - und was ihnen unglaublich viel Spaß macht."

Der Lernspaß in Klarenthal ist freilich nicht billig. Für Deutschland bedeutet ein Schulgeld von mindestens 200 Euro, "höchstens aber 875 Euro", wie es in der Schulbroschüre heißt, eine neue Dimension. Selbst für ein Aufnahmegespräch zahlt man 40 Euro - Einschulung nicht garantiert. Da ist Geschrei vorprogrammiert, zumal der Träger der Schule - neben Enja Riegel - der Evangelische Verein für Innere Mission in Nassau ist.

Riegel geht damit so um, wie man es von dem Enfant terrible der deutschen Rektoren gewohnt ist. Sie hätte viel Geld verdienen können, sagt sie spöttisch, um für einen großen Konzern in Deutschland eine Schule an den Markt zu bringen. "Aber ich bin nicht der Meinung, dass man mit Schulen Geld machen soll."

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6 Kommentare

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  • BW
    bernhard wagner

    Ich finde übrigens, der päd. Wert des Theaterspielens wird allg. an Schulen meist unter-, von seinen Fans aber ü b e r schätzt.

    Es kann - im positiven Fall, der aber nicht von selbst gegeben ist - einige wichtige Fähigkeiten fördern und dabei noch Spaß machen,

    kann aber z.B. auch wg. Haupt- u. Nebenrollen u.s.w. hierarchische Denkmuster fördern. Aber auch viele andere Projekte sind evtl. gut, z.B. Fahrradtour, inklusive Vorbereitung (Räder flott machen, etwas zu Geographie u. Geschichte der Gegend lernen etc.), während der Fahrt dann Umwelt(schutz)-Aspekte der Gegend erforschen u.s.w.

     

    Für 4 der wichtigsten pädagogischen Ziele halte ich übrigens.

     

    1. problemlösende Intelligenz, inklusive Kreativität

    2. anti-hierarchische, kooperative Einstellungen*

    (*quasi zwischen Egoismus und Altruismus)

    3. Einfühlungs- und Ausdrucksvermögen*

    (*mimisch, gestisch, verbal, künstlerisch)

    4. Liebes- und Glücksfähigkeit (zusammen, weil sie

    letztlich viel miteinander zu tun haben)

    (Die 4 Felder überlappen sich natürlich in vielfacher Weise)

  • G
    GabyK

    Das Konzept Waldorfschule und die Reformpädagogik von Frau Riedel sollte man nicht in einen Topf werfen - von ausgezeichneten Waldorfschulen habe ich noch nichts gehört - wohl zurecht.

    Meine Stieftochter hatte das "Vergnügen" in eine Waldorfschule zu müssen - das Ergebnis: besser darüber schweigen. Auch 2 befreundete Ehepaare haben nach 2 bzw. 3 Jahren ihre Kinder wieder in "normalen" Schulen angemeldet.

    Das Konzept von Frau Riedel bereitet die Kinder und Jugendlichen auf die Aufgaben im Leben vor.

     

    Was mir ein wenig Sorgen bereitet ist enge Verbundenheit zu einer "kirchlichen Institution" und damit auch die Lerninhalte im Religionsunterricht (betrifft auch alle anderen Schulen und wäre schön, wenn es in den Schulen von Frau Riedel anders ist). Da fehlt mir jedoch der Einblick in den Lerninhalt. Schön wäre es, wenn in diesem Unterricht über alle Religionen (Herkunft, Glaubensinhalt, Leben gestern und heute) unterrichtet würde und damit das Verständnis zwischen den Religionen gefördert würde. Wissen über das "ANDERE - FREMDE - UNBEKANNTE" nimmt Ängste und Aggressionen und fördert das Verständnis und den Dialog.

    Schulung der eigenen Religion sollte nur in den Kirchen usw. stattfinden, da es ein zutiefst persönliches Lernfeld ist.

  • LP
    Ludwig Paul Häußner

    Vision: Selbständige Schule

     

    Es braucht Educational Entrepreneurs wie Frau Riegel, die zeigen, dass Schule eine pädagogisch zu unternehmende Aufgabe ist.

     

    Was fehlt ist eine institutionelle Innovation, damit der Streitreflex hier Staatsschule dort Privatschule endlich aufgehoben wird.

     

    Unser Institut schlägt deshalb die neue Rechtsform einer FREI-ÖFFENTLICHEN Schule vor, FÜR die es eine Betriebserlaubnis (Charter)gibt.

     

    Nicht die Schule erhält die öffentlichen Finanzmittel, sondern pro SchülerIn gibt es einen staatlich finanzierten Bildungsgutschein, d.h. Subjektförderung statt Objektförderung.

     

    Damit wäre der Schulbesuch von nichtstaatlichen Schulen endlich unentgeltlich! Erst dadurch würde Wettbewerbsgleichheit gegeben sein, um so den Wettbewerb für innovative Schulkonzepte überhaupt erst zu ermöglichen.

     

    Mehr dazu unter: www.unternimm-die-schule.de

     

    Ludwig Paul Häußner

    Arbeitsbereich Educational Entrepreneurship

    Interfakultatives Institut für Entrepreneurship

    Universität Karlsruhe (TH) - IEP

  • B
    bKraft

    Es stimmt, die Reformpädagogik von Frau Riegel ist nicht neu. Es gibt in der BRD mittlerweile dutzende von privaten Alternativschulen, die auf die gleiche oder ähnliche pädagogische art und Weise arbeiten. Dazu gehören aber die Waldorfschulen garantiert nicht! Die Waldorfschulen, sprich die anthroposophische Pädagogik hat ein klares ideologisches Weltbild, das nichts mit Reformpädagogik zu tun hat. WaldorfschülerInnen müssen sich autoritären Regeln unterwerfen. Leider ist dieses Missverständnis immer noch weit verbreitet.

  • B
    BKraft

    Es stimmt, die Reformpädagogik von Frau Riegel ist nicht neu. Es gibt in der BRD mittlerweile dutzende von privaten Alternativschulen, die auf die gleiche oder ähnliche pädagogische art und Weise arbeiten. Dazu gehören aber die Waldorfschulen garantiert nicht! Die Waldorfschulen, sprich die anthroposophische Pädagogik hat ein klares ideologisches Weltbild, das nichts mit Reformpädagogik zu tun hat. WaldorfschülerInnen müssen sich autoritären Regeln unterwerfen. Leider ist dieses Missverständnis immer noch weit verbreitet.

  • T
    TimW

    Das ist doch alles nicht neu. Das was da als "Reform" verkauft wird, gibt es doch schon alles sehr erfolgreich in den bundeweit über 200 Waldorfschulen!