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Die erwachsene Christiane F.Ein Leben mit Heroin

Als abschreckendes Beispiel wurde sie einem Millionenpublikum in "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" bekannt. Die 46-jährige Vera Christiane Felscherinow ist heute wieder abhängig.

15 Entzüge, ebenso viele Rückfälle: Vera Christiane Felscherinow Bild: dpa

Frau Felscherinow ist das Sorgerecht für ihren 12-jährigen Sohn entzogen worden: "Sie kann der Erziehung und der Aufsichtspflicht für das Kind nicht mehr nachkommen", so die Erklärung des Jugendamtes Potsdam-Mittelmark. Die 46-Jährige könne sich wegen psychischer sowie drogenbedingter Probleme nicht mehr um ihren Jungen kümmern.

Dergleichen ist normalerweise keine Meldung wert, und unter ihrem vollständigen Namen ist Vera Christiane Felscherinow auch den meisten Menschen unbekannt. Es ist absurderweise die abgekürzte und anonymisierte Form ihres Namens, der zur abschreckenden Chiffre für den Teufelskreis aus Drogenelend und Kinderprostitution wurde: Christiane F.

Ausgangspunkt ihrer düsteren Prominenz war ein Prozess 1978, bei dem sie - damals 16 und bereits drogensüchtig - als Zeugin aussagte. Dort fiel sie den beiden Stern-Reportern Kai Hermann und Horst Rieck auf, die nach zweimonatiger Recherche in der "Szene" das Buch "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" veröffentlichten. "Sie war ein wahnsinnig intelligentes Mädchen", erinnerte sich Hermann später. Das Buch war ein Bestseller, verkaufte sich bis heute zwei Millionen mal, wurde Schullektüre und verfilmt - und erwies sich als ihr Rettungsanker und Fluch zugleich: Zusammen mit ihrem damaligen Lebensgefährten Alexander Hacke von den Einstürzenden Neubauten versuchte sie zu Beginn der Achtzigerjahre eine Karriere als Sängerin ("Der Tod holt mich ein") und Filmschauspielerin ("Neonstadt", "Decoder") zu starten, tourte für den Film durch die USA und wohnte zeitweilig bei einer Verlegerfamilie in der Schweiz - mit 400.000 Mark aus den Buch-Erlösen als Startkapital für ihr neues Leben.

Zuletzt lebte sie - nach einem längeren Aufenthalt in Griechenland - mit ihrem Sohn in der brandenburgischen Provinz, jährlich bezieht sie noch immer 20.000 Euro Tantiemen für "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo". 15 Entzüge soll sie hinter sich gebracht und ebenso viele Rückfälle erlitten haben, danach sei sie laut eigenen Angaben 15 Jahre lang clean gewesen, wenngleich geplagt von wiederkehrenden Albträumen, Inhalt: Heroin.

In der ARD-Talkshow "Menschen bei Maischberger" räumte sie 2007 ein, täglich eine Dosis der Ersatzdroge Methadon zu brauchen: "Ich weiß nicht, was sonst passiert." Ihr Sohn sei, so sagen Bekannte, eine Art Lebensversicherung für sie gewesen - seinem Vater war sie in einem Methadon-Programm begegnet.

Der Sohn lebt derzeit in einer betreuten Wohngruppe in Berlin, die Mutter ist verschwunden, mutmaßlich zu schlechten Bekannten nach Amsterdam.

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11 Kommentare

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  • A
    aro

    an die obigen klugen:

     

    ich denke manche entwicklungen im leben sind unumkehrbar.

     

    einer abhängigen zu sagen, sie hätte nichts dazu gelernt(A. Schläpfer), oder sei willensschwach(Jennifer) verleumdet die krankheit sucht. wenn es nun praktisch fast allen (schwer) süchtigen so geht, wie christiane, dann muss wohl der logische grund für das fortführen des drogenkonsums sein, dass es unheimlich schwer, oder unmöglich ist, davon loszukommen. wie viele von ihnen haben schon koffein oder nikotinsucht abschließend hinter sich gebracht. falls man das vergleichen kann. vll ist es eben auch anerkennenswert, dass jemand wie Christiane ihr leben auch unter diesen umständen fortgelebt bekommt. ich erlaube mir hier an einer gestandenen frau, die darüber hinaus in ihrem speziellen film hochgradigen gesellschaftlichen diskurs über unser verständnis von zusammenleben und gegenseitige verantwortung und die gefahren, die aus deren allgegenwärtigem fehlen hervorgehen, absolut gar kein negatives urteil. herzlichen glückwunsch Christiane, dass sie es geschafft haben, ihr 40 lebensjahr zu überschreiten. unendlich schade, dass ihre probleme ihre familie zerreissen. lg

  • AS
    A. Schläpfer

    Das Buch sowie die Verfilmung von Christiane F. habe ich in meiner Teeniezeit etliche Male gelesen und gesehen und musste mich jedesmal von Neuem fragen, wie ein intelligentes Mädchen, wie die Christiane F. nur in solch eine Szene geraten konnte.

     

    Heute ist sie 45 Jahre alt und hat scheinbar nichts dazugelernt. Sie sagt, sie sei 15 Jahre clean gewesen. Ja aber himmelnochmal, wieso jetzt nicht mehr? Nach 15 Jahren wird man doch nicht mehr so easy rückfällig oder lebe ich wirklich so hinterm Mond?

     

    Dass man ihr Kind wegnahm, find ich richtig und plädiere drauf, dass sie es auch nie wieder zurückbekommt, denn Kinder lernen von Erwachsnen und es muss ja nun nicht sein, dass dieser Bub der nächste Drogentote werden soll, oder?

  • M
    Mandy

    Heute bin ich 31 und habe das Buch gelesen.

    Ich bin der Meinung das es heute abschreckend wirkt, aber doch nicht für Jugendliche die ihr Leben ausprobieren wollen und sich nicht bewußt dessen sind was passieren kann- Woher auch-

    Ich hatte gehofft das Christiane es geschafft hätte wegzukommen, schade das dies nicht so ist.

  • CW
    Christiane White

    Die ganze Geschichte ist wirklich ziemlich tragisch. Es ist gut, wenn man ab und an über solche (tatsächlichen) Fälle lesen kann, denn vielleicht weckt es den einen oder anderen Jugendlichen und eventuell kommt man zur Besinnung. Bei meiner Freundin war das leider nicht so; die lebte so zu sagen nach diesem Buch und musste auch irgendwann unbedingt nach Berlin und das alles selber erleben. Schien für einige Leute meiner (damals Teenage-)Generation in den späten 70ern und frühen 80ern irgendwie ´cool` zu sein. Ich habe meine Freundin dann Anfang der 80er in Berlin gesucht und habe fürchterliche Dinge gesehen, sie selber leider nicht aufgefunden.

    Obwohl ich nicht ´abgerutscht` bin, fand ich das Buch Christiane F. doch ziemlich faszinierend und ich denke rückblickend, dass die Geschichte für einige Jugendliche damals so etwas wie eine Flucht darstellen bzw. anbieten konnte. Z.B. wenn sie darin sagt ´dìe sind hier meine Familie`(ihre Drogenfreunde)... Ich hatte ja eine nette Familie; meine Freundin eher nicht...

    Allerdings ist meine Erfahrung : wenn jemand Drogen nehmen will bzw. damit experimentieren will, dann wird er das auch machen - ob da jetzt ein Buch der Sache positiv oder negativ gegenübertritt, ist letzendlich völlig egal. Mein Leben war viel zu voll und zu interessant, als dass ich täglich meine Birne hätte zuknallen wollen. Meine Freundin wurde 1990 tot auf einer öffentlichen Toilette gefunden. Mit einer Nadel im Arm.

  • J
    Jennifer

    Christiane F. ist so ein Thema für sich denke ich mir mal.Habe ihren Film bestimmt 5 mal gesehen weil es mich einfach fasziniert wie jemand so herunter kommen konnte.

    Meiner Meinung nach ist es richtig das sie nun ihr Kind weggenommen bekommen hat.Sie hat schließlich mehr als 1 mal versucht von den Drogen wegzukommen und es bis heute nicht geschafft.Darauß läßt sich nun wirklich keine Willensstärke schließen.Finde es schade das ihr Leben so verlofen ist.Hätte mehr drauß werden können wenn sie es denn nun WIRKLICH gewollt hätte.

  • J
    julie

    das sie in einem methadon Programm war zeigt ja immerhin das sie es versuchen wollte von der droge weggzukommen! und ihre sucht ist als krankheit anzusehen allein die tatsache während einer schwangerschaft methadon oder heroin zu sich zu nehem ist nochlange keine indikation dafür, jemandem ein kind wegzunehemen! es ist nicht besonder leicht von einer solchen droge wegzukommen und anstatt auf solche leute herruter zu blicken sollte man Respekt vor denen haben, die es geschafft haben!

  • HI
    Herr Ihde

    Schlimm ist, dass sie offensichtlich während eines Methadon-Programms schwanger geworden ist. Dadurch ist ihr neugeborenes Kind durch die Geburt quasi auf "kalten Entzug" gesetzt worden. Wer so mit seinen eigenen Kindern umgeht und sie dann noch als eine Art Rettungsanker für sich bezeichnet, der ist einfach nur zynisch und verantwortungslos. Wahrscheinlich richtig, dass ihr die Vormundschaft entzogen wurde.

  • M
    michaelbolz

    Es ist absolut fraglich, ob Sie jemals von der Spritze loskam - wenigstens für längere Zeiten - wirklich tragisch und absurd zugleich ist, dass sie sich ihre Drogen von Tantiemen finanzieren kann.

  • L
    Lars

    Der volle Name der Dame ist seit etlichen Jahren bekannt und da sie offenbar, wie der Artikel suggeriert, 2007 öffentlich im Fernsehen aufgetreten ist dürfte sie auch kein Problem damit haben, wenn ihr Foto gezeigt wird. Zudem ist es von der dpa (siehe Quelle) und es handelt sich dabei auch nicht gerade um ein Paparazzi-Foto. Von daher ist das hier nicht annähernd der Boulevard-Journalismus, den Holzbein diesem Artikel gerne aufdrücken würde.

  • F
    Fabian

    Für mich ist Christiane F. eine Person der Zeitgeschichte. Ob relativ oder absolut, darüber lässt sich streiten. Jedenfalls ist sie erst voriges Jahr im Fernsehn mit ihrer Geschichte aufgetreten. Caroline von Monacos Name wird ja auch überall vollständig ausgeschrieben. Das wärs ja: Caroline v. M.?

  • H
    Holzbein

    Die Veröffentlichung des vollen Namens und des Fotos ist ja wohl absolut überflüssig.