Kommentar Gesunkener Ölpreis: Wie Reichtum die Entwicklung hemmt

Durch die hohe Nachfrage wird der Ölpreis bald wieder steigen. Das führt in den Ölländern zu einer interessanten Lohn-Preis-Spirale.

Autofahrer - nicht zu früh gefreut! Der Ölpreis sinkt zwar, doch ist dies nur eine Verschnaufpause. Denn die Nachfrage nach Öl wird weiter steigen, wie die Internationale Energieagentur am Dienstag prognostiziert hat - und dies wird die Energiepreise wieder nach oben treiben. Mit Unbehagen werden die gebeutelten Konsumenten weiterhin zusehen müssen, wie sich die Konten der Ölländer füllen. Doch auch Reichtum birgt so seine Probleme, denn wohin mit dem vielen Geld? Erstaunlicherweise kann es für ein Land zum Problem werden, begehrte Rohstoffe zu besitzen.

Illustrativ ist das Beispiel Russland, das zum größten Energie-Exporteur der Welt aufgestiegen ist. Gleichzeitig dreht sich dort eine gefährliche Lohn-Preis-Spirale, wie in den Weltbank-Berichten nachzulesen ist. Denn dank der hohen Öleinnahmen stiegen auch die russischen Gehälter und Renten um 13 Prozent. Das Problem ist aber: Derzeit kann die russische Wirtschaft gar nicht die vielen Waren liefern, die nun mit den erhöhten Löhnen nachgefragt werden. Die logische Konsequenz ist, dass die Preise steigen, wenn das Angebot den Bedarf nicht mehr decken kann. Also liegt die Inflation inzwischen bei 12 bis 14 Prozent - was die Lohnzuwächse wieder weitgehend zunichte macht. Womit wir erneut beim Grundproblem der russischen Wirtschaft wären: Mehr als Rohstoffe hat das Riesenland auf dem Weltmarkt nicht zu bieten; es ist abhängig von seinen Energieexporten und kauft ansonsten fleißig im Ausland ein.

Wie Russland erinnern viele Ölländer an das Spanien des 16. Jahrhunderts: Das Land war damals eine Großmacht, das über reiche Silberminen in Südamerika verfügte. Es schien, als besäßen die Spanier damit die Lizenz zum Gelddrucken. Doch auch die Spanier vergaßen, die heimische Wirtschaft zu entwickeln, und importierten lieber. Als die Silberminen erschöpft waren, hatten große Teile Europas dank der Dauerbestellungen aus Spanien einen wirtschaftlichen Boom erlebt - nur Spanien selbst war verarmt und hat erst heute, Jahrhunderte später, wieder den Anschluss gefunden.

Trotz Rohstoffreichtum und hoher Ölpreise ist also längst nicht ausgemacht, wer am Ende profitiert.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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