Fußball: Nur die Hymne ist noch ärgerlicher
Noch nie ist Hertha BSC mit zwei Siegen in eine Bundesliga-Saison gestartet. Dabei bleibt es - die Berliner schenken Arminia Bielefeld am zweiten Spieltag einen Punkt und bescheren ihrem Trainer Lucien Favre sechs ärgerliche Stunden.
Jack White hat es getan. Der Musikproduzent, der 1974 die deutsche Nationalelf mit "Fußball ist unser Leben" ins heimische WM-Turnier schickte, hat der Hertha eine neue Hymne geschrieben. Sie wurde lautstark angekündigt - mitgesungen hat keiner.
Auch Lucien Favre wird erst mal keine Zeit für Whites Schlager haben. Er muss sich einer anderen Scheibe annehmen: der DVD mit den Bildern des Spiels von Hertha BSC am Samstag gegen Arminia Bielefeld im Olympiastadion, das 1:1 ausging. "Eine Spielanalyse dauert sechs Stunden", verrät der Trainer. Immer wieder zeigt der Schweizer während der Pressekonferenz auf den Silberling. "Ich werde nicht nur Fehler sehen", sagt er. Das stimmt. Aber er wird dort Fehler sehen, wo keine hätten gemacht werden dürfen. Beim Torabschluss.
In der ersten Halbzeit der Partie dominiert Hertha das Geschehen. Von Beginn an zeigt das Team, dass es nach vorne spielen will. Doch dem ersten Akt, der Spielöffnung, dem zweiten Akt, dem Pass Richtung Strafraum, folgte der dritte Akt:, der Abschluss - und der machte das Spiel zum Drama. Beste Chancen vergaben Marco Pantelic, Cicero und Gojko Kacar. Letzter nach schöner Vorarbeit seines serbischen Landmanns Pantelic, der von rechts flach in den Strafraum gepasst hatte. Doch der seine Mittelfeldrolle sehr offensiv interpretierende Kacar konnte den Ball aus vier Metern nicht im Tor unterbringen.
Die Arminia wusste sich Mitte der ersten Halbzeit nur mit Fouls zu helfen. Immer wieder kam Favres Team zu guten Freistoßmöglichkeiten - nur genutzt wurde keine. Es dauerte bis zur 32. Minute, ehe Pantelic nach einem Pass von Patrick Ebert den Ball im Tor von Dennis Eilhoff versenkte.
Der anschließende Jubellauf führte Ebert und Pantelic Richtung Bank und endete in den Armen von Josip Simunic. Der 30-jährige Innenverteidiger war trotz guter Leistung im Spiel gegen Frankfurt von Favre draußen gelassen worden. Ebert sagte nach dem Spiel, dass ihn die Maßnahme gewundert habe. Dafür bekam er am Sonntag einen Rüffel von Favre. "Ebert darf das nicht machen, er hat sich entschuldigt bei mir." Er müsse sich aber auch noch bei der ganzen Mannschaft entschuldigen.
Statt Simunic spielte jedenfalls Kaka: Und er war es, der Bielefeld zur einzigen Chance der ersten Halbzeit und somit zum Ausgleich verhalf. Den ehemaligen Herthaner Artur Wichniarek, der im Alleingang Jarolsav Droby überwand, hatte Kaka auf die Reise geschickt, als er einen langen Abschlag von Eilhoff Richtung eigenes Tor schlug. Der Flatterball verwirrte nur Kakas Vereinskameraden Steve von Bergen, nicht aber den treffsicheren Polen Wichniarek. Nach zwei Toren am ersten Spieltag gegen Bremen ist das "Geschenk" (Favre) bereits Wichniareks drittes Saisontor. "Er wird belohnt für seine Arbeit", sagt Frontzeck - mehr nicht.
Die zweite Halbzeit seiner DVD-Analyse wird Favre nur zu Beginn genießen können. Ebert, Pantelic und Kacar wollten zunächst besser machen, was sie in der ersten Hälfte nicht schafften: ihre Chancen nutzen. Doch sie scheiterten. Und die Bielefelder zogen sich weit zurück. Oftmals tummelten sich alle elf Arminen hinter der Mittellinie.
Hertha BSC fiel ab der 60. Minute nicht mehr viel ein. Das Kollektiv zerbrach, das bis zu dem Zeitpunkt häufig brotlose, aber flüssige Spiel nach vorne ging verloren. "Zu viele individuelle Aktionen" wird sich Favre ein zweites Mal auf seiner DVD anschauen müssen. Seine Bilanz: "Es ist enttäuschend." Die DVD wird ihm wohl die beginnende Woche vermiesen. Doch er kann sich trösten: Jack Whites "Blau und Weiß" im CD-Player ist noch enttäuschender.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!