Treffen der SPD-Granden: Beck redet, Müntefering schweigt
Beim Gedenken an den früheren Bundespräsidenten Johannes Rau wollte Franz Müntefering zu seinen Rückkehrplänen nichts verraten. Die Genossen mauerten indes gegen Jürgen Rüttgers.
Verloren wirkt Jürgen Rüttgers (CDU) unter den hunderten Sozialdemokraten, die sich die Erinnerung an Johannes Rau nicht nehmen lassen wollen. Im barocken Mendelssohn-Saal der Wuppertaler Stadthalle gedachte Nordrhein-Westfalens SPD am Samstag des ehemaligen Bundespräsidenten, der 2006 starb.
Vor 50 Jahren hatten ihn die Wuppertaler zum ersten Mal in den Düsseldorfer Landtag gewählt, vor 30 Jahren wurde er NRW-Ministerpräsident - und amtierte 20 Jahre lang.
Beim Festakt demonstriert die SPD Geschlossenheit gegenüber dem aktuellen NRW-Ministerpräsidenten Rüttgers. "Willkommen bei der SPD", ruft ihm Hannelore Kraft, Oppositionsführerin im Düsseldorfer Landtag, bei der Begrüßung zu. Versucht er doch schon seit Monaten, sich als legitimer Nachfolger Raus zu inszenieren: Um "heimatlose Johannes-Rau-Wähler" wolle er sich kümmern, verkündete er immer wieder. Wie Rau will auch Rüttgers "versöhnen statt spalten", wie Rau reiste Rüttgers vor der Sommerpause nach Israel.
Die Strategie dahinter ist klar: Rüttgers will von der aktuellen Schwäche der Sozialdemokraten profitieren. Die CDU als "einzige Volkspartei" - davon redete er bereits auf dem CDU-Landesparteitag. Auch will Rüttgers den Sozialflügel der Partei stärken, etwa bei der Verlängerung des Arbeitslosengelds.
Beraten lässt sich der NRW-Regierungschef von gleich zwei ehemaligen Vertrauten Raus: Bodo Hombach, heute Geschäftsführer des WAZ-Medienkonzerns in Essen, der einst Raus Wahlkämpfe organisierte. Und Rüdiger Frohn, mittlerweile aus der SPD ausgetreten, der für Rau das Bundespräsidialamt in Berlin leitete.
Doch die Sozialdemokraten wollen das Copyright auf Rau behalten - deshalb auch die Wuppertaler Feierstunde. Gekommen sind nicht nur SPD-Chef Kurt Beck und Raus späterer Nachfolger als Ministerpräsident, Bundesfinanzminister Peer Steinbrück. Im Saal sitzt auch der neue alte Hoffnungsträger der Sozialdemokraten: Franz Müntefering.
Noch ist die Rollenverteilung zwischen Müntefering und Beck klar vergeben: Beck redet. Er erinnert an Raus Formel der SPD als "Schutzmacht der kleinen Leute", geißelt die von Rüttgers auch in NRW eingeführten Studiengebühren als unsozial, kritisiert Raus unmittelbaren Nachfolger im Amt des Ministerpräsidenten, Wolfgang Clement, zumindest indirekt. Rau wäre es "nie in den Sinn gekommen, das eigene Profil zulasten der eigenen Partei zu schärfen", ruft Beck unter Applaus.
Clement, dessen Parteiausschlussverfahren nach Verbalattacken auf die hessische SPD-Chefin Andrea Ypsilanti noch läuft, ist wegen Terminschwierigkeiten abwesend.
Im Gegensatz zu Beck hält sich Müntefering zurück. Zu seinen Comeback-Plänen schweigt er. Stattdessen zieht er sich nach dem Festakt zu einem halbstündigen Gespräch mit Beck zurück. Der Inhalt: strikt vertraulich. Man habe über das Wetter geredet, sagt Müntefering danach. Doch das Schweigen des Hoffnungsträgers, vom dem laut einer Emnid-Umfrage 61 Prozent der SPD-Wähler glauben, er sei ein besserer Parteivorsitzender als Beck, wird nicht lang andauern. Müntefering will sich laut Spiegel mit einem Buch in den SPD-Richtungsstreit einschalten. "Blick nach vorn" soll das Werk heißen und die politischen Aufgaben nach Schröders Agenda 2010 beschreiben. Ein eigenes Buch hat auch Beck angekündigt - doch dessen Titel klingt bereits nach einer Bilanz, beinahe wie eine Rechtfertigung: "Kurt Beck. Ein Sozialdemokrat" soll die Autobiografie heißen.
Und Jürgen Rüttgers? Der steht am Ende der Wuppertaler Gedenkstunde verloren unter den vielen Sozialdemokraten und geht früh. Zum Abschied sagt er noch, "Selbstvergewisserung in schwerer Zeit" sei die Erinnerung an Rau für die SPD. Im September will Rüttgers selbst Raus gedenken, so ist aus der Düsseldorfer Staatskanzlei zu hören.
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