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Tochter von KZ-Kommandant trifft OpferDas Täterkind

Monika Hertwig ist die Tochter des KZ-Kommandanten Amon Göth. Aufgelöst zieht sie los, um ein Opfer ihres Vaters zu treffen (Mittwoch, 21 Uhr auf Arte).

"Spielberg hatte mir die Wahrheit gesagt": Szene aus "Schindlers Liste" Bild: dpa

Es gab eine Zeit, in der Monika Hertwig für Steven Spielberg vor allem eines empfand: aufrichtigen Hass. Der Regisseur hatte ihr Leben torpediert. Denn in seinem Film "Schindlers Liste" sah sie zum ersten Mal ihren Vater, verkörpert von Ralph Fiennes. Kalt. Monströs. Sadistisch. Hertwigs Vater war Amon Göth, der Kommandant des Konzentrationslagers Plaszow bei Krakau. Mindestens 500 Menschen brachte er eigenhändig um.

"Spielberg hatte mir die Wahrheit gesagt, und das nahm ich ihm übel. Weil ich nicht alles wissen wollte, verstehen Sie?", erzählt Hertwig in dem Dokumentarfilm "Der Mördervater". Nach dem Ende des Krieges, nach der Gefangennahme und Hinrichtung ihres Vaters geboren, wuchs sie auf, ohne eine Ahnung von seinen Taten zu haben. Bis die Mutter in einem Streit das Geheimnis lüftete, Hertwig ihre zaghaften Recherchen aufnahm - und eben eines Tages "Schindlers Liste" guckte.

Wie kommt man mit der Wahrheit zurecht? Wie viel von der Person des Vaters spiegelt sich im Kind? Wen sehen die Menschen, wenn sie Monika Hertwig sehen? Diese Fragen bearbeitet der Film von James Moll - und zwar nicht nur auf einer abstrakten Ebene.

Statt übermäßig viel über die eigene Gefühlswelt zu monologisieren, nimmt Monika Hertwig Kontakt mit der Holocaust-Überlebenden Helen Jonas-Rosenzweig auf. Sie lebte fast zwei Jahre lang als Dienstmädchen in Göths Villa auf dem KZ-Gelände. Die beiden Frauen verabreden sich zu einem Treffen in Polen, an den Schauplätzen der Verbrechen.

Hertwig ist eine hochsensible, fragile Person. Wenn sie sich durch das Bild bewegt, sieht es stets eher nach Wehen als nach Gehen aus. Oskar Schindler, ein Freund ihrer Mutter, attestierte ihr einst, dass sie ihrem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten gleiche. Hertwig sagt von sich selbst: "Ich könnte nie Mitleid mit den Kindern der Täter haben." Jonas-Rosenzweig ist sich auch noch nicht sicher, wie viel Mitleid sie aufbringen kann. Aus ihr sprechen abwechselnd Wut und Schmerz.

Das Aufeinandertreffen der beiden Frauen ist, rein dramaturgisch betrachtet, ein Geschenk des Himmels. Man kann als Zuschauer sogar kurzzeitig mit dem Heulen aufhören. Denn sobald die Frauen sich auf den Weg machen - Hertwig fliegt aus Bayern ein, Jonas-Rosenzweig reist aus den USA an -, reduzieren sich die Rückblenden und die Interviewsequenzen. Die Geschichte katapultiert sich aus der irren Vergangenheit, an der ohnehin niemand mehr etwas ändern kann, in die Gegenwart. Hier ist der Raum, in dem Hertwig und Jonas-Rosenzweig Entscheidungen treffen können, anstatt dass andere über ihre Biografien entscheiden. Und die Frauen wählen die größtmögliche Konfrontation miteinander und mit sich selbst. Die Situation ist so bewegend, so existenziell, dass Moll sich schon hätte richtig anstrengen müssen, um aus diesem Stoff keinen packenden Dokumentarfilm zu drehen.

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2 Kommentare

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  • U
    Uto

    Warum ist in dem Artikel von Krakau die Rede?

    Die Stadt gehörte ja nicht einmal zum Deutschen Reich in den Grenzen von 1937,

    da ist ja wohl die polnische Schreibweise

    mehr als angebracht,

    oder machen sich die Geschichtsrevisionisten auch bei der taz breit?

    • @Uto:

      Kommen Sie mal runter von Ihrem Geschichtsrevisionisten-Ross. Sagen Sie Lisboa statt Lissabon, Napoli statt Neapel, Moskwa statt Moskau, Nijmegen statt Nimwegen oder København statt Kopenhagen. Man kann's wirklich auch übertreiben.