Ehrenämter: Engagierte dürfen weiter Bücher ausleihen
Die von Anwohnern geleitete Kurt-Tucholsky-Bibliothek kann bleiben. Zum Start der Woche des bürgerschaftlichen Engagements zeigt der Konflikt um die Bibliothek, dass ehrenamtliche Arbeit auch problematisch sein kann
Gute Nachricht für die Leser in Prenzlauer Berg: Die Kurt-Tucholsky-Bibliothek wird nicht aus dem Verbund Öffentlicher Bibliotheken Berlins (VÖBB) ausgeschlossen. Darauf einigte sich die Verbundskonferenz am Freitag. Die Bibliotheksleiter der zwölf Bezirke hatten die Konferenz zuvor aufgefordert, die Bücherei aus dem Verbund zu entlassen, weil sie ehrenamtlich geführt wird. Die Leiter kritisierten, dass die ehrenamtlichen Helfer nicht genügend qualifiziert seien und zudem Zugang zu sensiblen Daten hätten. Sie befürchteten offenbar, dass das Modell der Kurt-Tucholsky-Bibliothek Schule machen könnte - und bei den Berliner Bibliotheken noch weiter gespart wird.
Ausgerechnet zur Woche des bürgerlichen Engagements führt der Konflikt um die kleine Bibliothek in Prenzlauer Berg daher vor Augen, dass ehrenamtliche Arbeit einerseits wichtig, andererseits auch problematisch sein kann. Im vergangenen Jahr wollte das Bezirksamt nach Kürzungen des Senats in Höhe von 80.000 Euro die Bibliothek schließen. Die Bevölkerung protestierte, und so wurde schließlich dem Verein "Pro Kiez" die Ausleihe von 29.000 Büchern, CDs und DVDs übertragen. Seitdem arbeiten 30 Bibliotheksfreunde ehrenamtlich für die Einrichtung. Eine günstige Variante für Bezirk und Senat, die nunmehr nur für Betriebskosten und künftige Anschaffungen aufkommen müssen.
Der Verein möchte den Betrieb so lange aufrechterhalten, bis wieder Personal bezahlt werden kann. Zu den Bedenken der Bibliotheksleiter, die ehrenamtliche Arbeit sei nicht professionell genug, sagte der Sprecher Peter Venus: "Wir wollen auch keine Bibliothekare sein." Der drohende Ausschluss aus dem VÖBB hätte das Ende für die Kurt-Tucholsky-Bibliothek bedeutet. "Der Verbund ist unser Lebensnerv", betont Venus. Die zentrale Vernetzung über das VÖBB-System ermögliche Nutzern den Zugriff auf die 2,7 Millionen Titel aller Berliner Bibliotheken.
Unterstützung in seiner Arbeit bekam der Verein in dieser Sache auch vom Bezirksamt. Michail Nelken (Linke), Bezirksstadtrat für Kultur, Wirtschaft und Stadtentwicklung in Pankow ließ in einer Presseklärung mitteilen: Durch den seit Jahren anhaltenden Ressourcenabbau in der kommunalen Kultur sei inzwischen ein flächendeckendes Angebot der Stadtbibliotheken nicht mehr gegeben. Eine Forderung nach Verbundsausschluss wende sich aber gegen das ehrenamtlichen Engagement der Bürger, kritisierte Nelken.
Auch wenn der Ausschluss zunächst abgewendet ist. Kritik an ehrenamtlich geführten Bibliotheken gibt es im Verbund weiterhin. "Ich finde es bedenklich, wenn der Eindruck entsteht, es ist kein Geld notwendig", sagte Dagmar Dänisch, Vorsitzende der Verbundskonferenz. Wenn man die Kurt-Tucholsky-Bibliothek am Leben erhalten wolle, gebe es dazu aber keine Alternative, so Pro-Kiez-Sprecher Venus. Er ist sich sicher: "Eine geschlossene Bibliothek öffnet niemand mehr." HANNES VOLLMUTH
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