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BundesligaHertha lässt Leverkusen allein zu Haus

Überraschend siegen die Berliner in der Bundesliga bei den zuletzt starken Leverkusenern mit 1:0. Der Sieg kann aber nicht über die Angriffsmisere der Herthaner hinwegtäuschen.

Leverkusens Trainer Bruno Labbadia nach der 0:1-Niederlage gegen Hertha Bild: Reuters

Lange Zeit glich das Spiel dem Duell zweier Schattenboxer. Meist tänzelten die Leverkusener gekonnt mit dem Ball vor dem Gästetor herum und ließen die Berliner mit so mancher Angriffsfinte ins Leere laufen. Die Herthaner indes hielten ihre Deckung mehr schlecht als recht zusammen, als wüssten sie, dass das Bayer-Team eh nicht dorthin treffen würde, wo es einem verteidigendem Team wehtut - ins Tor nämlich.

Alles deutete am Samstagnachmittag also auf ein torloses Remis hin - zumal die Leverkusener gegen Ende der Partie von ihrer aufwändigen, aber brotlosen Kunst ermüdet waren. Doch dann leitete Arne Friedrich in der 89. Minute den bis dato zweiten gefährlichen Hertha-Angriff ein. Mit einem perfekt getimten 40-Meter Pass bediente er Andrej Voronin, der sich geschickt sowohl gegen Adriano Henrique als auch Manuel Friedrich durchsetzte und zum 1:0 vollendete.

Das Tor führte die Machtverhältnisse auf dem Platz ad absurdum. Und die Leverkusener traf diese unvorhergesehene Pointe der Partie hart. Nach dem Abpfiff blieben die meisten von ihnen auf dem Platz und rangen nach Fassung. "Ärgerlich ist vor allem, dass wir das Tor in Überzahl kassiert haben", schimpfte Trainer Bruno Labbadia. Eine besondere Note erhielt dieser K.o.-Schlag zudem noch durch die Vita des Torschützen. Stürmer Voronin war nämlich nach sechs torlosen Spielen gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber zum ersten Mal für Hertha erfolgreich gewesen.

Durch eine einzige Aktion stieg Voronin, der bis dahin kaum aufgefallen war, zum begehrtesten Interviewpartner auf. Der Mann, der ihm diese Prominenz ermöglichte, war hingegen durch das Leverkusener Offensivspiel zu unzähligen spektakulären Paraden gezwungen gewesen. Hertha-Torwart Jaroslav Drobny hatte nämlich den Hauptanteil daran, dass die Sturm-und-Drang-Kicker von Labbadia so ineffizient erschienen. Kapitän Friedrich lobte: "Jaro war überragend, sein bestes Spiel bei Hertha."

Und auch Trainer Lucien Favre musste vornehmlich ihn gemeint haben, als er von einer "guten Abwehr" sprach. Neben dieser sei "Top-Torjäger" Voronin und Glück für den Erfolg entscheidend gewesen. Mit Glück kann jede noch so schlichte Rezeptur in der Bundesliga veredelt werden. Deshalb rangieren die Berliner nun in der Auswärtstabelle auf dem ersten Rang. Dass Hertha dagegen umgekehrt zu Hause zu den Schlechtesten zählt, werden die Vereinsoberen wohl bald als zusätzliches Argument für einen Stadionneubau ins Feld führen.

Es ist jedenfalls auffällig, wie durchschlagskräftig die Berliner sind, wenn sie sich von der Aufgabe der Spielgestaltung entbunden sehen. Angesichts dessen fiel selbst das Fehlen der verletzten Gojko Kacar, Patrick Ebert und Lukasz Piszczek in Leverkusen nicht so ins Gewicht. Mit ihrem radikalen Rückzug in die eigene Hälfte ähnelt Hertha allerdings eher den ewig um den Klassenerhalt kämpfenden Cottbusern als einem Uefa-Cup-Kandidaten.

Am Samstag schoss Bayer-Stürmer Patrick Helmes nach 15 Sekunden erstmals auf Drobnys Gehäuse. Nach 20 Minuten führte Leverkusen beim Eckenverhältnis mit 7:0, und bei der Torschussstatistik lagen sie zur Halbzeitpause mit 17:1 vorne. Favre, dem Apologeten des Offensivfußballs, müssen diese Zahlen eigentlich großes Unbehagen bereiten. Öffentlich äußerte er sich aber nicht zu dem Ungleichgewicht.

Vielleicht ist Favre bei einer internen Machbarkeitsstudie zu dem Schluss gekommen, dass er derzeit einfach nicht mehr verlangen kann. Immerhin haben es die Berliner trotz ihres verkümmerten Offensivspiels auf 11 Punkte und einen vorderen Mittelfeldplatz in der Tabelle gebracht. Insofern heißt die Devise: positiv denken. Andrej Voronin, der glückliche Matchwinner, zeigte sich darin besonders begabt. Er sagte: "Wir müssen noch mutiger nach vorne spielen."

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