Versorgung Aidskranker: Schwule sorglos
Die Zahl der HIV-Neuinfektionen steigt. Am Dienstag soll die Finanzierung der Schwerpunktpraxen besprochen werden.
In den Streit über die Finanzierung der HIV-Schwerpunktpraxen kommt Bewegung: Auf Einladung von Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher (Linke) treffen sich am heutigen Dienstag Mediziner des Arbeitskreises Aids der niedergelassenen Ärzte mit Vertretern der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Vereinigung. "Ich hoffe, dass wir eine erträgliche Übergangslösung finden", sagte Lompscher am Montag im Gesundheitsausschuss.
Die 15 Berliner Praxen, die sich um zirka 5.000 mit dem HI-Virus infizierte Patienten kümmern, fürchten um ihre Existenz (taz berichtete). Eine bisher von den Krankenkassen zusätzlich gezahlte Pauschale pro Fall läuft Ende 2008 aus, eine bundesweite Neuregelung ist noch nicht spruchreif. Damit die Praxen nicht in eine Finanzierungslücke fallen, wollen sich die Verantwortlichen zusammensetzen.
Besondere Brisanz gewinnt die Diskussion vor dem Hintergrund steigender Infektionszahlen. "Jedes Jahr stecken sich 500 Menschen in Berlin mit dem HI-Virus an", berichtete Ulrich Marcus vom Robert-Koch-Institut bei einer Anhörung im Ausschuss. Die Zahl habe sich seit 2000 mindestens verdoppelt. Betroffen sind vor allem Schwule: 90 Prozent der Neuinfizierten seien Männer, die Sex mit Männern haben, erklärte Marcus.
Viele verhielten sich nicht mehr so vorsichtig wie früher, bestätigte Kai-Uwe Merkenich, Geschäftsführer der Berliner Aids-Hilfe. In den Achtzigerjahren habe der Schock über die Krankheit zu einer Zurückhaltung bei den Sexualkontakten geführt. "Das ist heute nicht mehr so. Die Sexualkontakte werden mehr, ebenso wie die Wechsel der Partner." Merkenich ist überzeugt: "Für die nachwachsenden Generationen brauchen wir eine neue Form der Ansprache."
Nach Marcus Einschätzung neigen Männer vermehrt auch zum sogenannten Serosorting - dem gezielten Verkehr mit Schwulen, die denselben HIV-Status haben. Das Kondom wird im Vertrauen auf das Testergebnis weggelassen. "Das erhöht das Risiko für die Übertragung anderer Geschlechtskrankheiten, die wiederum die Übertragung von HIV begünstigen", so Marcus.
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