Baden-Württemberg plant Versuch: Elektronische Überwachung statt Knast

Verurteilte werden per Sender am Fuß überwacht: Baden-Württemberg will die "elektronische Aufsicht" Gefangener testen.

"Elektronische Aufsicht": Baden-Württemberg setzt auf Sender statt Kameras. Bild: dpa

FREIBURG taz Als erstes Bundesland will Baden-Württemberg die "elektronische Aufsicht" von Strafgefangenen testen. Einen entsprechenden Gesetzentwurf beschloss am Dienstag die schwarz-gelbe Stuttgarter Landesregierung. Der Modellversuch soll vier Jahre dauern.

Bei der elektronischen Aufsicht wird über einen Sender, der am Bein des Verurteilten befestigt ist, kontrolliert, ob die Person den vereinbarten Tagesplan einhält. Während der Arbeitszeit darf sie nicht zu Hause sein, nach der Arbeit muss sie sofort in die Wohnung zurückkehren. Bei Verurteilten mit größerer Fluchtgefahr könnte sogar der laufende Aufenthaltsort festgestellt werden. Dazu müsste ein GPS-Sender benutzt werden, wie er auch bei Auto-Navigationssystemen eingesetzt wird.

An dem Versuch sollen drei Gruppen von Gefangenen beteiligt werden. Zum einen geht es um Personen, die eine Geldstrafe nicht zahlen können und deshalb ersatzweise ins Gefängnis müssten. "Mit der elektronischen Aufsicht können wir Menschen vor dem Gefängnis bewahren, die dort eigentlich gar nichts zu suchen haben", erklärte Landesjustizminister Ulrich Goll (FDP). Die zweite Gruppe sind Gefangene, die eine längere Haftstrafe verbüßen. Sie können in den letzten sechs Monaten ihrer Haftzeit in den elektronisch überwachten Hausarrest entlassen werden. Drittens können Häftlinge während eines Ausgangs, eines Hafturlaubs oder als Freigänger elektronisch überwacht werden. "So erhalten Gefangene eine Chance auf vollzugsöffnende Maßnahmen, bei denen die Voraussetzungen ansonsten nicht vorlägen", heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs, der der taz vorliegt.

Bei dem Modellversuch sollen voraussichtlich 75 Personen mitmachen. Das Land rechnet zwar mit 85.000 Euro Kosten, verspricht sich unterm Strich aber Einsparungen. Immerhin können die entsprechenden Haftplätze anders verwendet werden. Zudem sollen die Straftäter mit bis zu 20 Euro pro Tag die eigene Überwachung mittragen.

Nach Golls Angaben sind in den USA rund 200.000 Personen in derartigen Programmen. In Deutschland gibt es elektronisch überwachten Hausarrest bisher bloß in Hessen, dort aber nur zur Vermeidung von Untersuchungshaft und als Kontrolle während der Bewährung. Baden-Württemberg plant nun einen deutlich breiteren Anwendungsbereich. Möglich ist dies, weil seit der Föderalismusreform 2006 die Länder für den Strafvollzug zuständig sind. Bis 2005 hatte Rot-Grün im Bundestag eine Einführung des elektronisch überwachten Hausarrests abgelehnt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.