Behindertenfreundlicheres Schulsystem: FDP kämpft für integrative Schule

Dürfen geistig behinderte Kinder mit Nichtbehinderten lernen? Im Streit über eine Waldorfschule in Baden-Württemberg stellt sich jetzt die Landes-FDP gegen die CDU.

Birgit Arnold (FDP): "Wir wollen, dass die Schule ihre integrative Arbeit fortsetzen kann." Bild: dpa

KÖLN taz Die integrative Waldorfschule in Emmendingen bekommt unerwartete Rückendeckung in ihrem Kampf für ein behindertenfreundlicheres Schulsystem. Die FDP im Stuttgarter Landtag signalisiert Unterstützung - und stellt sich damit womöglich gegen den Koalitionspartner CDU.

Die Waldorfschule bei Freiburg unterrichtete 13 Jahre lang geistig behinderte und nichtbehinderte Kinder in einem integrativen Schulentwicklungsprojekt, bis das Kultusministerium anordnete, den Versuch auslaufen zu lassen. Trotz des Verbots nahm die Schule in diesem Sommer vier behinderte Erstklässler neu auf. Der Fall sorgte über Baden-Württemberg hinaus für Aufsehen (die taz berichtete).

Der Einsatz der FDP für Emmendingen kommt überraschend. Bereits im Oktober hatten SPD und Grüne im Landtag beantragt, den Emmendinger Schulversuch weiterzuführen und die behinderten Erstklässler regulär einzuschulen. Die Liberalen lehnten damals mit der CDU von Kultusminister Helmut Rau ab. Inzwischen hält die schulpolitische Sprecherin der FDP, Birgit Arnold, die Entscheidung für überstürzt: "Wir hatten leider nicht die Chance gehabt, uns gemeinsam mit dem Koalitionspartner Gedanken zu machen", sagte sie der taz. "Wir wollen, dass die Schule ihre integrative Arbeit fortsetzen kann."

Geht es nach der FDP, soll der Landtag den Emmendingern eine erste Lösung vorschlagen: Die Schule kann demnach einen eigenen Sonderschulzweig unter ihrem Dach einrichten oder mit einer Sonderschule der Umgebung kooperieren, um behinderte Kinder an ihrem Unterricht teilhaben zu lassen. Das allein ist noch keine Sensation, denn solche Kooperationen stehen im Schulgesetz und sind der Waldorfschule von den Behörden bereits vorgeschlagen worden. Die Schule hatte allerdings abgelehnt. Ihre Begründung: Die behinderten Kinder blieben in allen Varianten juristisch gesehen Sonderschüler - mit ungewissen Folgen für ihre Integration.

Brisanter ist daher, was FDP-Abgeordnete Arnold sonst noch erwägt. Im Privatschulgesetz ist sie auf eine Stelle gestoßen, die die Waldorfschule möglicherweise dauerhaft zur Integrationsschule machen könnte - obwohl das Bundesland diese Schulform nicht vorsieht. Normalerweise müssen private Träger dieselben Schulformen anbieten wie staatliche, um bezuschusst zu werden. Gibt es keine öffentlichen integrativen Schulen, gibt es auch keine privaten. Allerdings sieht Paragraph 3 des Schulgesetzes eine Ausnahme vor: So kann die Landesregierung "durch Rechtsverordnung weitere Schulen in freier Trägerschaft zu Ersatzschulen erklären, wenn ein wichtiges öffentliches Interesse besteht".

Das Land erklärt private Schulen per Verordnung zu Integrationsschulen, weil es sie selbst nicht anbieten will - diese Vorstellung kommt wohl auch Arnold absurd vor. Ursprünglich dienten befristete Integrationsversuche wie der in Emmendingen dazu, Erfahrungen für eine mögliche Anpassung des Schulgesetzes zu sammeln. "Es wäre an der Zeit, Schlussfolgerungen zu ziehen und das Kultusministerium zu fragen, ob wir nicht mehr Integration in das Schulgesetz hineinnehmen", findet Arnold daher.

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