Kommentar Lagerschließung: Von Deutschland nach Guantánamo

Deutschland hat eine besondere Verantwortung für die Aufnahme von Guantánamo-Insassen - wegen US-Flügen mit Terrorverdächtigen, die auf deutschen Flughäfen starteten.

US-Verteidigungsminister Robert Gates, der auch unter Barack Obama Pentagon-Chef bleiben soll, prüft im Auftrag des künftigen US-Präsidenten die Schließung des Gefangenenlagers Guantánamo auf Kuba. Das ist eine gute Nachricht.

Doch das Vorhaben könnte scheitern, wenn Deutschland und andere europäische Staaten nicht endlich ihre Mitverantwortung für die Opfer wahrnehmen, die ihnen aus der Unterstützung der Völkerrechtsverstöße und Menschenrechtsverletzungen der Bush-Administration erwachsen ist. Denn lediglich bei maximal 50 der derzeit noch 255 Guantánamo-Gefangenen reicht die Beweislage aus für ein Verfahren mit wahrscheinlicher Verurteilung und nachfolgender Haft - in den USA oder anderswo. Bei 50 Gefangenen steht bereits fest, dass sie unschuldig sind, für weitere rund 150 gilt dies als sicher. Doch die allermeisten dieser etwa 200 Männer, die zum Teil seit fast sieben Jahren unschuldig in Guantánamo schmachten, können nicht in ihre Heimatländer zurück. Denn dort droht ihnen erneute Haft, Folter oder Tod. Und Asyl in den USA will ihnen auch die künftige Obama-Administration nicht gewähren.

Deutschland hat eine besondere Verantwortung für die Aufnahme dieser Menschen. Denn in mindestens 275 Flügen, die auf deutschen Flughäfen starteten oder landeten beziehungsweise durch deutschen Luftraum führten, haben die USA seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 hunderte Menschen nach Guantánamo und in andere Gefangenenlager und Folterzentren verschleppt.

All dies wäre ohne Wissen, Unterstützung oder zumindest Duldung der Bundesregierung nicht möglich gewesen. Gegenteilige Behauptungen des damaligen Kanzleramtschefs und Geheimdienstkoordinators, Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, sowie seines grünen Ministervorgängers Joseph Fischer sind völlig unglaubwürdig. Wenn sie stimmen würden, wäre Deutschland in den Jahren seit 2001 eine Bananenrepublik gewesen. Doch selbst als Bananenrepublik hätte Deutschland eine besondere Verantwortung gegenüber den Opfern von Verbrechen, für die sein Territorium und sein Luftraum genutzt wurden.

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Journalist und Buchautor, Experte für internationale Beziehungen und Konflikte. Von 1988-2020 UNO- und Schweizkorrespondent der taz mit Sitz in Genf und freier Korrespondent für andere Printmedien, Rundfunk-und Fernsehanstalten in Deutschland, Schweiz,Österreich, USA und Großbritannien; zudem tätig als Vortragsreferent, Diskutant und Moderator zu zahlreichen Themen der internationalen Politik, insbesondere:UNO, Menschenrechte, Rüstung und Abrüstung, Kriege, Nahost, Ressourcenkonflikte (Energie, Wasser, Nahrung), Afghanistan... BÜCHER: Reform oder Blockade-welche Zukunft hat die UNO? (2021); Globales Chaos-Machtlose UNO-ist die Weltorganisation überflüssig geworden? (2015), Die kommenden Kriege (2005), Irak-Chronik eines gewollten Krieges (2003); Vereinte Nationen (1995) AUSZEICHNUNGEN: 2009: Göttinger Friedenspreis 2004:Kant-Weltbürgerpreis, Freiburg 1997:Goldpreis "Excellenz im Journalismus" des Verbandes der UNO-KorrespondentInnen in New York (UNCA) für DLF-Radiofeature "UNO: Reform oder Kollaps" geb. 1954 in Köln, nach zweijährigem Zivildienst in den USA 1975-1979 Studium der Sozialarbeit, Volkswirtschaft und Journalismus in Köln; 1979-81 Redakteur bei der 1978 parallel zur taz gegründeten Westberliner Zeitung "Die Neue"; 1981-87 Referent bei der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste, verantwortlich für die Organisation der Bonner Friedensdemonstrationen 1981 ff.; Sprecher des Bonner Koordinationsausschuss der bundesweiten Friedensbewegung.

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