Sexkaufverbot in Norwegen: Ein ausradierter Strich
Seit dem 1. Januar ist der Kauf sexueller Dienste in Norwegen kriminalisiert. Viele ausländische Prostituierte haben bereits das Land verlassen. Sinn und Zweck des Verbots aber bleiben zweifelhaft.
Ein Zeitungsreporter, der in der vergangenen Woche als vermeintlicher Interessent den Straßenstrich auf Oslos Karl-Johans-Gate testete, bekam 17 Angebote in einer Viertelstunde. Wenn er den Test in einigen Tagen wiederholt, dürften es bedeutend weniger sein. Am 1. Januar ist ein Verbot des Kaufs sexueller Dienste in Kraft getreten. Freier müssen dann mit einer Haftstrafe von bis zu einem Jahr rechnen. Wenn sie erwischt werden. Viele Prostituierte haben bereits auf den nun vermutlich schrumpfenden Markt reagiert. "Es sieht so aus, als ob die Hälfte der osteuropäischen und nigerianischen Frauen das Land verlassen hat", schätzt Olav Lægdene von der kirchlichen Stadtmission.
"Die meisten werden wohl erst einmal abwarten und schauen, wie das Gesetz sich auswirkt", lautet die vorsichtigere Einschätzung von Bjørg Norli, Soziologin beim Pro-Sentret, dem nationalen Prostitutionsforschungs- und Hilfszentrum: "Die norwegischen Frauen rechnen damit, dass weniger ihr Kundenkreis ausbleiben wird, sondern mehr der der ausländischen Prostituierten." Deren Zahl hatte sich in den letzten fünf Jahren mehr als verdoppelt, sie prägen nun deutlich den offenen Straßenstrich vor allem in Oslo, und ihr Auftauchen in Norwegen hatte eine lange schwelende Verbotsdiskussion erst richtig entfacht.
Seit 1902 war der Kauf und Verkauf sexueller Dienste in Norwegen straffrei. 1982 kam von feministischer Seite der erste Vorstoß für eine Änderung des Strafgesetzbuchs. Mit dem 1999 eingeführten Sexkaufverbot im Nachbarland Schweden bekam die Debatte neuen Auftrieb. Doch die Stimmen für eine Kriminalisierung häuften sich erst, als vor einigen Jahren mehrere hundert vorwiegend nigerianische Prostituierte in Oslos "Prachtstraße" Karl-Johans-Gate und deren Seitenstraßen einzogen - in direkter Nachbarschaft zu Politik und Medienredaktionen. Aus einem jahrzehntelang tolerierten Straßenstrich wurden nun "unhaltbare Zustände". "Vorher war das Argument ein feministisches. Dass Prostitution Gewalt gegen Frauen sei und deshalb verboten werden müsste", sagt Marianne Tveit, Medienforscherin an der Universität Oslo: "Doch als die nigerianischen Frauen im Straßenbild auftauchten, wurde daraus eine Debatte um Menschenhandel."
Eine fragwürdige und gleichzeitig folgenreiche Schwerpunktverlagerung, meint Tveit: Die Prostitutionsdebatte reduzierte sich vor allem auf den Straßenstrich und wurde auch zu einer Frage der Begrenzung der Einwanderung afrikanischer Frauen. Und plötzlich wurde es leichter, eine parlamentarische Mehrheit für ein Verbot zusammenzubekommen. Als ob nicht norwegische Männer als Kunden für die Nachfrage stünden, sondern Prostitution ein aus Afrika oder Osteuropa importiertes Problem sei.
Mit dem Verbot hat die norwegische Regierung umgerechnet rund eine Million Euro für ein Aussteigerhilfsprogramm bereitgestellt. Doch konkrete Hilfsangebote gibt es kaum, und die auch in Norwegen spürbare Wirtschaftskrise werde es für die Frauen noch schwerer machen, in den normalen Arbeitsmarkt zu wechseln, befürchtet Bjørg Norli vom Pro-Senteret.
"Liv", die für ihre Heroinration anschafft, das Verbot für "Schwachsinn" hält und am VW-Bus der kirchlichen Stadtmission aus einem Pappbecher heißen Kaffee trinkt, wird von einer Journalistin gefragt, wann sie mit der Prostitution aufhören würde: "In einer Traumwelt. In der alles, was Drogen heißt, von der Erde verschwunden ist. Erst dann könnte ich damit aufhören." "Benedikta" berichtet, dass sie das Geld nicht nur für sich braucht, sondern auch für ihre Familie im südlichen Nigeria: "Meine alte Mutter, meine vier Geschwister und mein neun Jahre altes Kind." Sie weiß noch nicht, wie es weitergehen soll: "Ich habe kein Internet oder Telefon. Ich habe immer nur hier gestanden und gewartet, bis mich jemand mitnahm."
Dass das Verbot die Probleme für solche Frauen nicht lösen wird, bestreitet Asta Beate Håland von der Frauengruppe "Ottar", die seit 1991 für eine Kriminalisierung des Sexkaufs kämpfte, nicht: "Wir können den globalen Prostitutionsmarkt nicht steuern. Aber wir können bestimmen, welche Art von Gesellschaft wir in Norwegen haben wollen."
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