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Bender

Student und Autorität

Er gehörte zu jenen Menschen, die fast nicht mehr denkbar sind: ein einflussreicher Student. Ein junger Intellektueller, der innerhalb der Universität Autorität auch bei Professoren genießt, obwohl er ein herausragendes Amt gar nicht innehat. Man hörte auf Bender, den studentischen Akteur, der ein Kind der damals unvergleichlichen politischen Kultur der Technischen Universität Berlin war.Ende der 80er-Jahre, eine andere Zeit. Während die hoch politisierte, sehr grundsätzliche Studentenschaft der Freien Uni Berlin sich in nächtelangen Plena quälte, bestimmte er in der Reformfraktion schnell die Geschicke der über 30.000 Studenten zählenden TU mit. Bender entwarf gemeinsam mit anderen das Modell einer modularen Universität, das die Separierung in Fakultäten aufgehoben hätte – ohne Humboldts Universitas von Lehrenden und Studierenden aufzugeben. Ein glanzvoller Entwurf, der überall in der Republik rezipiert wurde. Die Professoren mochten Bernd Bender, der da noch den kalauergefährdeten Nachnamen Fick trug, sie mochten ihn persönlich und weil er stets perfekt informiert war; die Potenz des Entwurfs mochten sie – diesmal – nicht. Bernd wechselte in seinen Zwanzigern als Assistent einer Abgeordneten ins Berliner Landesparlament, kehrte später als Sekretär eines Studienbüros an die TU zurück – auch das eines der bundesweit einmaligen Reformmodelle. Es sollte es Studierenden schwerer machen, über den anonymen Studienbedingungen der Massenunis ihren intellektuellen Fortschritt aus den Augen zu verlieren. Der große, schlanke Mann war einer, der den Zusammenhang von Bildung und Gesellschaft über die Uni hinaus verstand – und verständlich machen konnte; was er für die taz und ihre Bildungsseiten immer wieder tat. Mit wenigen Sätzen vermochte er zu skizzieren, dass es ziemlich einfach wäre, das bildungspolitische Gejammere bleiben zu lassen: Wenn die beiden großen politischen Strömungen nur endlich bereit wären, von ihren Steckenpferden herunterzusteigen: die Konservative von ihrer Lebenslüge, eine vermeintlich prädestinierte Elite in Gymnasien nur mehr fertig züchten zu müssen; die Linke von dem Irrglauben, eine verbeamtete Organisation von Schule und Hochschule könne Chancengerechtigkeit erzeugen. Dass dieser historische Kompromiss unmöglich wäre, war Bernd Bender klar, aber er lamentierte nicht darüber. Er entwarf lieber eine Unzahl pragmatischer Vorschläge, die es den großen Politblöcken leichter machen könnten einzulenken – damit, so schrieb er 1996, „eine chancenlose Jugend sich nicht der Pflege von Grünflächen widmen“ müsse. Das ist auch deshalb bemerkenswert, weil heute, beinahe zehn Jahre später, es zwar eine große Koalition gibt, sie den Kompromiss aber scheut – und die Bildung an die deutschen Kleinstaaten ausliefert. Bernd Bender besaß einen großen Gerechtigkeitssinn und hohe Ansprüche an sich selbst. Er war ein wacher, bisweilen spöttischer, immer überraschender Diskurspartner; auch dann, als seine erkrankten Zellen versuchten, ihm das Denken und Freuen zu verbieten. Er promovierte, entwarf Pläne für eine Zukunft, die ihm nicht vergönnt war. Am Dienstag letzter Woche ist Bernd Bender 39-jährig gestorben. CHRISTIAN FÜLLER

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