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die wahrheitDer Student des Grauens

Ein ordentlicher Student trägt Zottelmähne und Unkrautbart. Er schläft bis in die Puppen, lungert nachmittags im Café, abends in der Kneipe und nachts im Club herum ...

... Ab und zu lenkt er seine abgewetzten Turnschuhe in Richtung Uni, wo er stundenlang mit Kommilitonen diskutiert und Scheine abstaubt. Zwischendurch jobbt er als Praktikant oder er demonstriert gegen die "Strukturen". Den Sommer vertrödelt er am See, den Winter im Bett der Freundin, die sich neuerdings "Studierende" nennt und eine weniger behaarte Version des Studenten ist. Außerdem kann sie kochen. Lustig ist das Studentenleben, faria, faria, ho. Normalerweise …

Eines Tages zu Beginn des vergangenen Jahres saß der Student da. Gegenüber. Im Fenster zum Hof. Sachlicher Kurzhaarschnitt. Randlose Brille. Leeres Gesicht. Er lebte nicht, er saß. Am Schreibtisch. Von neun Uhr morgens bis elf Uhr abends. Jeden Tag. An Wochen-, Sonn- und Feiertagen. Vor sich eine Tastatur und ein Monitor. Daneben eine Handbibliothek. Mindestens für eine Dissertation. Er war ganz sicher Geisteswissenschaftler, Philosoph, Historiker … nein: Linguist. Der Titel seiner Doktorarbeit lautete über den Daumen gepeilt: "Die Reorganisation subsumptiver Abtönungspartikel in der regenerativen Transformationsgrammatik".

Bald wurde er nur noch der "Student des Grauens" genannt. Auch die Nachbarn kannten ihn aus der Ferne. Sie vermuteten sogar, dass unrechte Dinge vor sich gingen. Er könne doch nicht tagein, tagaus am Fenster sitzen. Der Student aber grüßte nicht, er las und er schrieb. Mittags aß er ein Brot, abends löffelte er ein Süppchen, das ihm seine Zimmerwirtin angerichtet hatte. Nachmittags legte er dann und wann eine Pause ein für einen Spaziergang. Manchmal winkte dem Studenten ein spielendes Kind zu.

Das Fenster mit dem Studenten wurde zum dunklen Spiegel der Vergangenheit. Und man fragte sich: Wäre man heute Vorstandsvorsitzender eines DAX-Unternehmens, wenn man vor zwanzig Jahren genau so studiert hätte? Unermüdlich. Fleißig. Strebsam. Der Student hatte keine Freundin. Er hatte keine Besucher. Er ging nie aus. Kein Kino. Keine Kneipe. Keine Disko. Der Student hatte jedes Spitzen- und Endspiel verpasst. Die Olympischen Spiele. Den Krieg zwischen Russland und Georgien. Das Debakel der CSU in Bayern. Die historische Wahl des ersten schwarzen Präsidenten der USA. Wusste er, dass 2008 das internationale "Jahr des Frosches" war?

Nichts nahm der Student außerhalb seines Universums wahr. Bis auf sein Gegenüber. Jedes Mal, wenn man den Kühlschrank öffnete und das Licht ansprang, blickte er kurz auf und in den hellen Spiegel der Zukunft. Der ihm ein Leben außerhalb der Transformationsgrammatik vor Augen führte: prächtige Mahlzeiten, feine Getränke, rauschende Feste, stürmische Umarmungen, die selbst sein akademisches Herz aus Stein irgendwann erweichen mussten …

Und plötzlich ist der Student verschwunden, das Fenster leer, der Schreibtisch verwaist. Nach genau einem Jahr. Für immer. Hoffentlich hat er eine ordentliche "Studierende" gefunden, die endlich den Zottel in ihm weckt oder ihm wenigstens das Kochen beibringt.

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2 Kommentare

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  • NB
    nicht Batchelor

    Die neu eingeführten Batchelor und MAsterstudiengänge sind so vollgepumt und terminiert das den Studenten überhaupt keine Chance mehr bleibt so zu studieren wie früher.

     

    Neben der Uni bleibt auch keine Zeit mehr für einen Nebenjob und die Studiengebühren zahlen sich nicht von selbst.

     

    Wenn es so weiter geht ahben wir demnächst nur noch Studenten wie den grausigen am Fenster. Studenten die alles auswendig lernen aber denen die Zeit fehlt das gelesene und gehörte auch zu verarbeiten. Es ist nicht die Note der Klausur oder des Abschluss die ein Studium ausmachen. Es ist die Verwandlung vom Zottelhaar in den Kurzhaarschnitt, die ganz von selbst stattfindet. Das aber auch nur wenn einem die Zeit gegeben wird die man selber dafür benötigt.

     

    Man muss lernen Informationen zu verarbeiten und zu verwenden. Das neue System erweitert nur das bestehende Schulsystem um ein paar Jahre. Deutsche Akademiker werden in der Internationalen Masse untergehen. Das Know How das wir einmal als Resource aufweisen konnten wird dank Globalisierung der Bildung eingestampft.

     

    Warum muss Deutschland die Internationalen (meiner Meinung nach schlechteren) Abschlüsse annehmen. Warum verkaufen wir uns unter Wert.

     

    Ich muss dazu erwähnen das ich Ingenieur bin. In den Geisteswissenschaften kann es ganz anders aussehen, da habe ich keinen einblick.

     

    Aber ein deutscher Ingenieurabschluss ist international bekannt und etwas Wert. Warum jetzt diesen Batchelor einführen.

  • E
    erziehender

    ja wo bleiben die denn im leben, haben nichts erfahren ausser, leistung, leistung u. scheine sammeln u. wo sollen sie für das spätere leben empathie erlernen für den gegenüber der eine gegensätzliche vita hat??!! da bleibt doch nur ein leben aus büchern u. vorurteilen aber nichts für die realität des lebens!!!

    hier seh ich mal wieder wie bildungspolitik zum verblöden führt...u. den studierenden erst mal nichts übrigbleibt als dem druck zu folgen, da sie ja sonst faule studenten sind!

    wie im artikel schon erwähnt haben es die gammelstudenten der 7080ziger auch weit gebracht...was war also schlechtes daran, dass es unterstützung auch für langzeitstudenten gab....?! die war auch zeitlichbegrenzt...das sie sich auch mit anderen dingen beschäftigen konnten o. gar ne zeitlang durch die welt gereist sind(...macht tolerant, in der heutigen gesellschaft nicht mit geld auf zu wiegen, man partizipierte am leben!)

    willkommen im deutschland der kontrolle u. des ständigen misstrauens, hartz4 ...lässt grüssen u. allem dem anhänglichen errungenschaften der 90ziger2000der...armes deutschland;-)