Potsdamer Stadtschloss: Schlossfans fürchten Pfusch an der Kopie
Heute trifft eine Jury die Vorentscheidung über die Gestaltung des Potsdamer Stadtschlosses, in das der Landtag einziehen wird. Das Problem: Eine komplette Rekonstruktion des gesprengten Vorbilds bietet zu wenig Platz für Abgeordnete
Es gibt dieser Tage nicht wenige Potsdamer, die neidvoll auf Berlin schauen. Auch wenn die barocke Schlosskopie von Francesco Stella Platz kostet, scheint ins Berliner Humboldt-Forum alles reinzupassen, was reinsoll - und wenns klemmt, speckt man halt ein bisschen ab. Ganz anders in Potsdam: Dort soll der Landtag samt Abgeordnetenbüros in die Hülle des neu zu bauenden Stadtschlosses. Für die drei Konsortien, die sich um den Job bewerben, eine fast unlösbare Aufgabe. Am heutigen Donnerstag soll die Landtagsjury eine Vorentscheidung treffen.
Vor allem die Potsdamer Schlossfans haben in den letzten Tagen den Druck erhöht. Stein des Anstoßes ist der Innenhof des von Knobelsdorff zwischen 1744 und 1751 errichteten Schlossbaus im Stil des friderizianischen Rokoko. Der Innenhof gehöre "in seiner ursprünglichen Größe und Gestaltung untrennbar zur Ausstrahlung dieses Baus", heißt es in einem offenen Brief, den 18 Potsdamer Vereine, Institutionen und Künstler an die 13 Jurymitglieder geschrieben haben.
Auch Medizinnobelpreisträger Günter Blobel schloss sich der Forderung an. "Hybride zwischen historisch und modern gebe es massenhaft, sie zeugten von Unentschlossenheit", schrieb Blobel aus New York an die Jury. Blobel hatte von seinem Preisgeld im Jahr 2000 insgesamt 1,6 Millionen Mark für die Rekonstruktion der Dresdner Frauenkirche gespendet.
Brandenburgs Landesregierung hatte bereits 2005 beschlossen, das marode Landtagsgebäude der ehemaligen SED-Bezirksleitung auf dem Brauhausberg zu verlassen und auf dem Gelände des 1959 gesprengten Stadtschlosses einen Neubau zu errichten. Dass der die barocke Hülle von Knobelsdorff bekommt, war aber umstritten. Sowohl der Landtag als auch die Potsdamer Stadtverordnetenversammlung plädierten lange Zeit für einen modernen Parlamentsbau, wie ihn etwa Peter Kulka für den Sächsischen Landtag in Dresden realisiert hat.
Die Wende in Richtung Wiederaufbau brachten erst ein Bürgerentscheid in Potsdam sowie eine 20 Millionen Euro schwere Spende Hasso Plattners, Gründer der Softwarefirma SAP. Die Pläne, die bis dahin schon auf dem Tisch lagen, wurden zur Überarbeitung an die Konsortien zurückgegeben. Im April 2008 hat schließlich auch der Landtag grünes Licht gegeben: 100 Millionen Euro lässt sich Brandenburg den Schlossneubau kosten, bis 2012 soll das Ganze stehen.
Was die Schlossfans dennoch nicht ruhig schlafen lässt, ist das Kleingedruckte im Landttagsbeschluss. Dort heißt es unter anderem, dass Forderungen einer hundertprozentigen Rekonstruktion der historischen Hoffassade und des Knobelsdorffschen Treppenhauses "unrealistisch" seien. Darüber hinaus genieße - unter den Bedingungen der wiederhergestellten äußeren Fassade - "die Funktionsfähigkeit des Landtagsgebäudes oberste Priorität".
Dass eine komplette Rekonstruktion und die Funktionsfähigkeit eines Parlamentsbaus nicht ganz einfach unter einen Hut zu kriegen sind, liegt auf der Hand. Belief sich der ursprünglich geplante Neubau auf eine Höhe von fünf Geschossen, dürfen es nach dem Rekonstruktionsbeschluss nur noch drei sein. Eine weitere Rekonstruktion des Innenhofs und die Wiederherstellung des historischen Treppenhauses sind somit nicht kompatibel mit den Raumanforderungen für das Parlament und die Büros für 150 Abgeordnete. Da dürfte es auch wenig helfen, wenn als Kompromiss vorgeschlagen wurde, die Parlamentsbibliothek woanders unterzubringen. Auch die CDU, die den Schlossfans am nächsten steht, weiß deshalb, dass die Bebauung des Schlosses weit mehr in den Innenhof ragen wird, als dies bei Knobelsdorff der Fall war.
Die Zahl der Abgeordnetenbüros auf jene 88 zu reduzieren, die derzeit benötigt werden, fordert keine Partei. Denn selbst wenn sie noch in weiter Ferne liegt - der Landtagsneubau ist auch ein Gebäude für die Länderfusion. In einem gemeinsamen Bundesland Berlin-Brandenburg sollen die Abgeordneten der Landesregierung von Potsdam aus auf die Finger gucken.
Eine Entscheidung wird es am Donnerstag wohl nicht geben, dämpfte Ingo Decker, Sprecher von Finanzminister Rainer Speer (SPD), die Erwartungen. Bis Mitte 2009 soll die Vergabe aber abgeschlossen sein. Nicht ausschließen wollte Decker, dass die Entwürfe erneut zur Überarbeitung zurückgegeben werden. "Außerdem kann es sein, dass der Neubau teurer wird", so Decker.
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