piwik no script img

Diskussion um "Operation Walküre""Hitler sells, Stauffenberg sells more"

Superheld des Widerstands oder innersystemischer Oppositioneller? Kurz vor dem Kinostart von "Operation Walküre" diskutierten Experten in Berlin über Graf von Stauffenberg.

Star-Scientologe mimt Hitlerattentäter: Tom Cruise will als Graf von Stauffenberg unterhalten. Bild: dpa

Während der Film "Operation Walküre - Das Stauffenberg-Attentat" in den USA von Diskussionen begleitet war, sorgt man sich hierzulande vor allem darum, ob ein Scientologe Stauffenberg verkörpern darf.

Die Veranstaltung "Stauffenberg im deutschen Erinnerungsdiskurs - Vom Vaterlandsverräter zum Superhelden in Uniform" in der Berliner Humboldt-Universität versprach auf den kommende Woche startenden Kinofilm einzugehen. Neben dem Historiker Wolfgang Wippermann, dem taz-Autor und Pädagogen Micha Brumlik und dem Publizisten Konstantin Sakkas saß mit Sonja Schultz auch eine Filmwissenschaftlerin auf dem Podium.

Nach einer Einleitung, die versuchte, den Umgang mit dem deutschen Widerstand im Nationalsozialismus in eine Erinnerungsdebatte einzureihen, die von Schuldzurückweisungen (etwa Hitler als alleinigen Täter zu konstruieren) geprägt sei, referierte Schultze die bisherige Filmgeschichte des 20. Juli. Habe in ersten Filmen aus den Fünfzigerjahren noch die moralische Rechtfertigung, durch das Attentat auf Hitler "die Ehre der Deutschen zu retten", im Vordergrund gestanden, so hätten sich die Inszenierungen in den letzten Jahren geändert. Die "Knoppisierung" ging einher mit einer Emotionalisierung, die Stauffenberg als charismatischen Helden präsentiert. Dem schloss sich Wippermann an: "Hitler sells, Stauffenberg sells more."

Im Gegensatz zur gängigen Meinung, führte er aus, hätten die Attentäter in der Nachkriegszeit keineswegs als Vaterlandsverräter gegolten. Bis 1968 dominierte ein eindeutig positives Bild. Erst spät sei der "andere Widerstand" entdeckt worden: Arbeiter, Juden, Kommunisten. Schließlich seien Historiker zu der Erkenntnis gelangt, dass auch Hitler-Attentäter Antisemiten gewesen seien. Dennoch schloss Wippermann mit dem Plädoyer, den deutschen Widerstand gegen den Nationalsozialismus weder zu verherrlichen noch pauschal wegzureden.

Sakkas Vortrag, der den 20. Juli als Zeichen der Ohnmacht charakterisierte, wurde von Zwischenrufen begleitet. Brumlik fand die richtigen Worte, als er sagte, Sakkas habe im Großen und Ganzen die Thesen von Joachim Fest referiert.

Dem Historiker Wippermann entgegnete er: "Warum sollten wir die Protagonisten des 20. Juli respektieren?" Weil sie sich für den nationalen Standpunkt entschieden hatten und erst sehr spät für die Opposition und den menschlichen Anstand?

Ein halbherziger Schlagabtausch zwischen Wippermann und Brumlik entspann sich. Wippermann beharrte auf der Wertschätzung von Widerstandshandlungen als Taten, Brumlik warnte, man müsse dennoch Nationalkonservative wie Stauffenberg als solche auch benennen. Sonst mache man die Verschwörer zu "Figuren eines existenzialistischen Thesenstücks".

Stimmen aus dem Publikum schließlich versuchten die Debatte weg von Stauffenberg und Co und hin zu Widerstandkämpfern wie Georg Elser zu lenken. Aber auch dies sei eine Ideologisierung, wurde eingewandt, schließlich habe der Widerstand nicht erst 1939 begonnen. Schließlich kam die Frage auf, ob der 20. Juli 1944 überhaupt dem antifaschistischen Widerstand zuzurechnen oder vielmehr eine "innersystemische Opposition" oder ein Putschversuch gewesen sei.

Ob "Operation Walküre", wie Frank Schirrmacher prophezeite, "das Bild von Deutschland in der Welt auf Jahrzehnte prägen" wird, scheint fraglich. In Deutschland jedenfalls ist Stauffenberg bereits seit Jahrzehnten als deutscher Widerstandsheld Teil des kollektiven Gedächtnisses. Tom Cruise sollte man darum als das sehen, was er ist, nämlich Entertainment. SONJA VOGEL

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • H
    hansi

    stauffenberg und co. waren nazis light. die erhebung ihres anschlages zum offiziellen mythos vom "besseren deutschland" ist ebenso unerträglich wie vielsagend.

  • MW
    mandy warhol

    ad andreas thomsen: ich würde ihnen empfehlen, einmal genauer die broschüre der gruppe ...nevergoinghome. "fragwürdige traditionslinien - stauffenberg und der 20. juli 1944 im deutschen erinnerungsdiskurs" zu lesen. spätestens danach sollte ihnen klar werden, dass zwei ebenen auseinander zuhalten sind. die erste ebene ist die der historischen wahrheit - die rekonstruktion der gesellschaftlichen zusammenhange und der prämissenlagen der akteure zu bestimmten zeiten. auf dieser ebene zeigt sich, dass stauffenberg und seine freunde reaktionäre antisemiten, militaristen und nationalisten waren. die zweite ebene ist die der erinnerung bzw. des diskurses um personen, taten und ereignisse aus der vergangenheit. diese erinnerung und diskurse finden jeweils wieder in bestimmten gesellschaftlich-historischen zusammenhängen statt, die diskurse sind also daran rückgebunden. dabei können in bestimmten diskursen von bestimmten akteuren bestimmte zwecke verfolgt werden oder bestimmte sichtweisen setzen sich (wie, das ist eine weiter gehende frage.) durch oder werden funktional für bestimmte zwecke. das dabei die erste ebene verschwinden kann, d.h. die historische wahrheit verfälscht oder revidiert wird, ist natürlich möglich. so war es ja lange zeit normal und es scheint auch heute noch nicht aus der mode zu sein (siehe die aktuelle guido knopp - doku zu stauffenberg), stauffenbergs antisemitismus oder die beteiligung der verschwörer an der ns vernichtungspolitik einfach zu leugnen oder zu verharmlosen. auf der zweiten ebene ist jedoch zu festzustellen, dass das offizielle gedenken an stauffenberg rückgebunden an ganz konkrete nationalistische, patriotische und militaristische diskurse und handlungen ist. und um die verwirrung komplett zu machen - dies geschieht sowohl in dem stauffenbergs antisemitismus etc. anerkannt als auch geleugnet wird. im ergebnis kommt immer dasselbe raus - ein deutscher held, der den entscheidenden wurf gewagt hat, um deutschland zu retten.

     

    wenn dies auch ihre prämisse ist, dann tut es mir leid um sie. und mit linkem humanismus hat dies nichts zu tun. es geht ja radikaler kritik nicht darum, deutschland einen geeigneten helden zu verpassen. dem georg elser wäre damit mehr als unrecht getan, in im nachhin zu einem deutschnationalen zu machen. nein, es geht darum nationen abzuschaffen, kapitalismus abzuschaffen und somit nationales heldengedenken.

  • G
    Gruppe ...nevergoinghome.

    Ihrer journalistischen Sorgfaltsplficht nachkommend hätte die Autorin dieses Artikels wenigstens darauf hinweisen können, von wem diese Podiumsdiskussion organisiert wurde. Dabei handelt es sich um die Gruppe ...nevergoinghome. Diese hat unter anderem die Broschüre "Fragwürdige Traditionslinien - Stauffenberg und der 20. Juli 1944 im deutschen Erinnerungsdiskurs" veröffentlicht. Zu finden ist diese auch online unter:

    http://nevergoinghome.blogsport.de/images/FragwuerdigeTraditionslinien.pdf

  • BZ
    Bülent Zitzewitz

    Zwei kleine Anmerkungen nur: die Veranstaltung wurde von der Gruppe ...nevergoinghome. organisiert, die auch eine Broschüre zu diesem Thema veröffentlicht hat ('Fragwürdige Traditionslinien'), die auf ihrer Homepage zu finden ist.

    Die auf dem Podium sitzende Filmwissenschaftlerin heißt richtig: Sonja Schultz.

  • AT
    Andreas Thomsen

    Na und wenn die Männer des 20. Juli "Nationalkonservative" waren - was solls?

    Dass sie keine TAZ-Abonnenten waren, kann man ihnen nicht gut vorwerfen. Zu jener Zeit hatten doch nur noch Mitglieder des Staatsapparates überhaupt die Möglichkeit, etwas Erfolgversprechendes gegen den Nazi-Terror zu unternehmen.

     

    Im übrigen lohnt es sich, einen Blick auf Hitlers alliierte Gegner zu werfen, um festzustellen, dass auch diese nicht ganz dem linksalternativen Wunschbild vom "reinen Helden" entsprachen.

     

    Natürlich wäre es Unsinn, die politischen Vorstellungen des - späten - Widerstandes innerhalb des Militärs unkritisch als Vorbild für heute zu preisen.

     

    Aber die meisten dieser Menschen haben mit dem Leben dafür bezahlt, dass sie den Versuch machten, Hitler zu stürzen - und das ist mehr, als irgendein heutiger rechthaberischer linker Humanist für sich beanspruchen kann.