NDR-Talker Meyer-Burckhardt: "Ich habe Glamour wie ein Schlauch"

Am Freitag wird die "NDR Talkshow" 30. Hubertus Meyer-Burckhardt moderiert den Dauerbrenner schon zum 165. Mal (22 Uhr, NDR).

"Vor 20 Jahren wäre die Staatsanwaltschaft angerückt": Hubertus Meyer-Burckhardt. : dpa

taz: Herr Meyer-Burckhardt, kommen Sie am Freitagabend überhaupt?

Hubertus Meyer-Burckhardt: Ja, natürlich. Warum fragen Sie?

Weil Sie in einem Interview mal gesagt haben, dass es angesichts der Präsenz von Barbara Schöneberger gar nicht auffiele, wenn Sie zu Hause blieben.

Nein, dafür arbeite ich viel zu gerne mit Barbara zusammen. Wenn ich sie nicht toll finden würde, wäre ich gar nicht erst zur "NDR-Talkshow" zurückgekehrt. Diesen Glamour, den sie mitbringt, finde ich herrlich, ich habe bekanntlich so viel Glamour wie ein Gartenschlauch.

Aber immerhin rote Socken.

Ich darf Sie zweifach korrigieren. Erstens: Kniestrümpfe, eine Hommage an meine Studentenzeit an der Filmhochschule in England, wo Banker und Geschäftsleute zum grauen Anzug völlig selbstverständlich himbeerrote Kniestrümpfe trugen. Zweitens habe ich sie nur in den ersten 5 Sendungen mit Barbara getragen, danach nicht mehr.

Warum?

Weil mir die Fragen danach auf die Nerven gingen.

Verstanden. Wie wichtig ist das Casting für den Erfolg der NDR-Talkshow?

Bei einem Moderatorenteam sollte es nicht so sein wie in einer schlechten Ehe, wo man sagt: Sie hilft mir bei der Lösung der Probleme, die ich ohne sie nicht hätte. Ein Moderatorenteam kann sich komplett blockieren, sich aber auch in Höhen treiben, die man alleine nicht erreichen würde. Ob das Barbara und mir gelingt, müssen andere beurteilen.

30 Jahre, 600 Sendungen, 164 mit Ihnen als Moderator - was ist das Geheimnis der Langlebigkeit der "NDR Talkshow"?

Zum Ersten sicherlich die Konsequenz und Loyalität des Senders, zum Zweiten ein glückliches Händchen der Redaktion bei der Auswahl der Moderatoren: Wolf Schneider, Hermann Schreiber, Jörg Pilawa, Franca Magnani, Michael Jürgs - das sind ja alles hochinteressante Leute und - da führen Barbara und ich eine Tradition fort - fast ausnahmslos Leute, die nicht hauptberuflich Moderatoren sind. Erfahrungen von außen einbringen zu können, tut der Sendung gut.

Und welche Rolle spielt es, dass Menschen sich für nichts so sehr interessieren wie für ihresgleichen?

Wenn ich diese Frage als Spielfilmproduzent beantworten darf: Was sind die zwei dramaturgischen Formeln, die Filmen zugrunde liegen? "Boy meets girl", also Liebesgeschichten, und "Whodunnit", also jemand fällt tot um und man fragt sich 90 Minuten lang, wer der Täter ist. Neugier auf andere Menschen macht uns aus. Wenn die nicht mehr wäre, dieses Interesse abhängig wäre von Trends und Strömungen, wäre das schlimm.

In den 30 Jahren hat der NDR die Sendung kaum verändert. Für heutige Sehgewohnheiten ist sie ungeheuer statisch. Warum bleiben die Zuschauer dem Format trotzdem treu?

Der frühere RTL-Chef Helmut Thoma hat viele kluge Sachen gesagt. Eine davon war: "Die Menschen gucken keine Programme, die Menschen gucken Gewohnheiten." Und ich glaube, dass der Freitagabend bei vielen Menschen ganz besonders ritualisiert ist, weil er der Einstieg ins Wochenende ist. Der soziologische Fachbegriff lautet "Entpflichtung". Dass der NDR das Format nur sehr behutsam verändert hat, könnte also gerade das Erfolgsgeheimnis sein. Außerdem: Was wollen Sie verändern, wenn ein Gastgeber jemanden befragt? Dann gibt man beiden am besten Stühle, damit sie sich setzen können, und stellt einen Tisch davor, auf dem sie ihre Gläser abstellen können. Die Variationsmöglichkeiten eines Gesprächs sind begrenzt.

Früher ging es in der "NDR Talkshow" hoch her: Klaus Kinski ging Ihrer Kollegin Alida Gundlach an die Wäsche, Eartha Kitt biss Rudi Carrell in die Nase und Klaus Löwitsch stürmte beim Anblick seiner Exfreundin aus dem Studio. Warum gibt es heute keine Skandale mehr?

Doch, die Eklats gibt es noch, es merkt nur keiner. Wenn man das Gespräch mit Charlotte Roche über ihr Buch "Feuchtgebiete" vor 20 Jahren geführt hätte, hätte zuerst der Rundfunkrat getagt und dann wäre die Staatsanwaltschaft angerückt. Themen, die früher provoziert hätten, nimmt man heute gelassener. Negativ formuliert: wir sind abgestumpfter, positiv formuliert: wir sind aufgeklärter im Voltaireschen Sinne .

Geblieben sind der "NDR Talkshow" dagegen intime Momente, die entstehen, obwohl das ganze Land zuschaut. Wie erklären Sie sich das?

Ich möchte einen Vergleich bemühen: Wenn Sie an einem Freitagabend ein paar Gäste zu sich nach Hause einladen, die sich dort erst kennenlernen, gibt es Konstellationen, die so toll funktionieren, dass Sie nach einer halben Stunde auch ins Bett gehen könnten, und solche, wo Sie sich bald dafür verfluchen, diese Leute zusammengebracht zu haben. Auch bei der "NDR Talkshow" muss nicht nur die Chemie zwischen Gastgebern und Gästen stimmen, sondern auch die Chemie der Gäste untereinander. Und dafür ist das erste Treffen von großer Bedeutung. Die Sendung beginnt, lange bevor die Sendung beginnt.

Erinnern Sie sich an einen besonders intimen Moment in einem Ihrer etwa 600 Gespräche?

Hildegard Knef hat vor etwa acht Jahren in der "NDR Talkshow" einen Satz gesagt, der mich tief bewegt hat: "Ich habe vermutlich exzellent gelernt zu überleben, aber nie wirklich gelernt zu leben." Das war so ein Gespräch, in dem man eine Stecknadel hätte fallen hören können.

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