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Mistkiste Leben

HÖRSPIEL-THEATER-KONZERT Als Songschreiber, Sänger, Schauspieler und Autor hat sich Jens Rachut schon empfohlen. In „Die Trauerfeier des Jens R.“ führt der Punk-Exzentriker jetzt alles zusammen

Erklärtes Ziel der Trauergemeinde: so lange erzählen, singen, brüllen und beschwören, bis „die ganze Mistkiste Leben wieder und besser anspringt“.

VON ROBERT MATTHIES

Der Name war es nicht, was „Angeschissen“ von anderen Punkbands unterschieden hat. Gegründet von zwei Ex-„Slime“-Mitgliedern war man Mitte der 80er vom Deutschpunk Richtung „Wipers“ gerückt. Vor allem aber ging es nicht länger darum, Bullen zu verkloppen und die Yankees rauszuwerfen, sondern um Liebe, Resignation, Selbstmord. Von Texter und Sänger Jens „Jensen“ Rachut gab es statt Punk-Klischee und Parole skurrile kleine Alltagsbeobachtungen: die Neurosen eines Bullenspitzels, der Einfluss der Architektur auf das Sexualleben, die Rolle des Kochs beim Untergang der Estonia: Jensens Themen, Geschichten und Charaktere – ob bei „Angeschissen“ oder den Nachfolgebands „Blumen am Arsch der Hölle“, „Dackelblut“, „Kommando Sonne-nmilch“ und „Oma Hans“ – sind abstrus und schrullig, ohne albern zu sein. Bei aller Komik wird hier stets alles ernst genommen – todernst.

Aber Jensen, der wohl letzte große Punk-Exzentriker, beschränkt sich schon lange nicht mehr aufs Texten und Singen. Er schauspielert, nimmt rückwärts „septische Hörspiele“ wie den „Seuchenprinz“ auf oder veranstaltet „die erste europäische Lesung aus einer Schrankwand“. Und führt nun all seine bisherigen Aktivitäten zusammen.

„Die Trauerfeier des Jens R.“ überschreitet dabei auch die letzte Grenze: Jens R., von einem Verband mit je einem Vertreter der Landtiere, der Wassertiere und der „eingefallenen Häuser“ als Medium eingesetzt, schleust sich in die kleine Welt der Toten ein. Und erzählt endlich, was da wirklich los ist – und was nicht. Erklärtes Ziel der Trauergemeinde: so lange erzählen, singen, brüllen und beschwören, bis „die ganze Mistkiste Leben wieder und besser anspringt“.

Die optimierende Wiederbelebung unterstützen dabei Trauerreden von Schauspielerin Laura Tonke, „Studio Braun“s Jacques Palminger gibt den Schwager des Teufels, musikalisch begleitet von Organist Jonas „Jones“ Landerschier. Schall und Rauch steuert „Kommando Sonne-nmilch“-Kollege Ronnie Henseler und Filme und Videos Maike Dresenkamp.

■ So, 20. 12., 20 Uhr, Hafenklang, Große Elbstraße 84

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