Handball-Champions-League: THW Kiel soll Schiris bestochen haben
Der THW Kiel wird beschuldigt, die Schiedsrichter beim Champions-League-Finale 2007 bestochen zu haben. Der Verein streitet die Vorwürfe wehement ab.
HAMBURG taz Manfred Werner saß am frühen Sonntagabend in Campushalle in Flensburg, wo die SG Flensburg-Handewitt durch einen 22:21-Sieg gegen Montpellier das Viertelfinale der Champions League erreichte. Doch in Gedanken war der Aufsichtsratsvorsitzende der deutschen Handball-Bundesliga (HBL) ganz woanders: Beim vermeintlich anrollenden Skandal, der, sollte sich der Verdacht erhärten, dem gesamten Handball erheblichen Schaden zufügen könnte: Der THW Kiel soll sich im Jahr 2007 den Gewinn der Champions League bei den polnischen Schiedsrichtern Miroslaw Baum/Marek Goralczyk erkauft haben. "Wenn das wirklich so stimmt, wäre das eine große Katastrophe für alle, die mit dem Handball zu tun haben", sagt der geschockte Werner.
Werner hat selbst noch mal dieses Finalrückspiel am 29. April 2007 in Kiel, das im Zentrum der Vorwürfe steht, vor dem geistigen Auge ablaufen lassen. Diese Partie zwischen dem THW Kiel und dem Erzrivalen SG Flensburg-Handewitt, die Kiel nach dem 28:28-Remis im Hinspiel am Ende mit 29:27 gewann. Damals hatten die Schiedsrichter einem der wichtigsten SG-Profis, dem dänischen Spielmacher Joachim Boldsen, nach einer Attacke an Christian Zeitz bereits in der 18. Minute die Rote Karte gezeigt.
Schiedsrichter Goralczyk weist die Vorwürfe zurück. Er sei aus allen Wolken gefallen, als er davon erfuhr, sagte er der B.Z.. "Jeder macht Fehler, ich auch. Aber nicht für 50 000 Euro", beteuerte Goralczyk. Doch es könnte um noch mehr gehen. Laut Werner steht der THW in Verdacht, seit 2000 Spiele in der Champions League gekauft zu haben.
Auch das polnische Schiedsrichterduo war bereits 2007 in Verdacht geraten. Frank Birkefeld, damals Geschäftsführer der Internationalen Handball-Föderation (IHF), hat das Paar beschuldigt, das Finale des olympischen Frauenturniers 2004 zwischen Dänemark und Südkorea (38:36 nach zwei Verlängerungen) verschoben zu haben. Miroslav Baum weist alle Vorwürfe zurück. "Das ist ein großer Schock für mich", sagte er. Er habe nur gute Erinnerungen an das damalige Finale in Kiel.
THW-Geschäftsführer Uwe Schwenker ging am Sonntag auf Tauchstation. Nicht einmal alle Gesellschafter hatte er informiert. THW-Gesellschafter Dieter Hein, der den Gesamtverein in der THW Kiel Bundesliga GmbH & Co. KG repräsentiert und sich derzeit in Österreich aufhält, erfuhr davon erst durch einen Anruf eines Journalisten. THW-Gesellschafter Willi Holdorf, zurzeit im Urlaub auf Teneriffa, erfuhr es durch einen Anruf von HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann: "Ich kann mir das nicht vorstellen", sagt er. "Für mich ist das alles unbegreiflich." Laut Holdorf planten die in Kiel verbliebenen Gesellschafter Hubertus Grote, Georg Wegner und Jochen Carlsen noch für Montag ein Krisentreffen mit Schwenker. "Der THW streitet alle Vorwürfe vehement ab", sagte Pressesprecher Björn Goos. Man habe bisher nicht darauf reagieren können, weil keine Einzelheiten bekannt seien.
Die Frage lautet, warum diese Vorwürfe nun, fast zwei Jahre später, in der Öffentlichkeit auftauchen. Warum HBL-Aufsichtsrat Dieter Matheis vor einigen Tagen dem THW-Geschäftsführer Uwe Schwenker einen Brief geschickt hat, indem er in dieser Sache um Aufklärung bittet. Über die Gründe dieses Schreibens hüllte sich Matheis weiterhin in Schweigen. "Darüber werde ich öffentlich noch nichts sagen", erklärt Matheis, man wolle die Sache erst in einer Sondersitzung am Montagabend in einem Hamburger Nobelhotel diskutieren. Neben den verfügbaren Aufsichtsratsmitgliedern sollten auch HBL-Präsident Reiner Witte und HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann teilnehmen.
Da Matheis parallel zu seiner HBL-Funktion als Beiratsvorsitzender des Bundesligisten Rhein Neckar-Löwen fungiert, vermuten die THW-Fans einen Racheakt des ehemaligen THW-Coaches Noka Serdarusic, der im Juni 2008 nach privaten Differenzen mit Schwenker beurlaubt worden war. Serdarusic dementierte dies. Eine Anzeige eines ominösen Geldboten, die angeblich vorliegen sollten, wurde bei der Staatsanwaltschaft Berlin nicht bestätigt: "Eine solche Anzeige ist hier nicht bekannt", so eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft.
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