Klimagasdeponien bekommen Gesetz: Rechtssicherheit für Pilotanlagen
Das Bundeskabinett einigt sich auf ein Gesetzesentwurf zur CCS-Technologie. Die Wirtschaft freut sich.
BERLIN taz Die Industrie soll künftig Kohlendioxid (CO2) in unterirdische Speicher pressen können und so unter anderem Kohlekraftwerke klimafreundlicher machen. Dazu hat das Bundeskabinett am Mittwoch einen Gesetzentwurf verabschiedet, der für die zunächst geplanten drei bis vier Pilotprojekte in Deutschland juristische Sicherheit schaffen soll.
"Das ist kein abschließender Rechtsrahmen", sagte Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) nach der Kabinettssitzung, als er den Entwurf gemeinsam mit Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) vorstellte. 2015 soll die Probephase mit den Demonstrationskraftwerken zu Ende sein und auch das Gesetz noch einmal überprüft werden.
Bis dahin gelten folgende Regeln: Wer Kohlendioxid in der Erde vergraben will, braucht einen geeigneten Speicher, zum Beispiel eine frühere Lagerstätte für Erdgas. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und das Umweltbundesamt haben schon entsprechende Lagerstätten bewertet, letztlich entscheiden aber die jeweiligen Bundesländer, ob der Speicher zu Verfügung steht oder nicht. Und auch, ob die Technik dem "anerkannten Stand von Wissenschaft und Technik" genügt - wie das Gesetz etwas unkonkret vorschreibt -, müssen die Genehmigungsbehörden der Länder entscheiden. Dafür sorgen, dass das CO2 auch 30 Jahre, nachdem die letzte Tonne eingelagert wurde, wirklich in der Erde bleibt, müssen allerdings die Betreiber der Klimagas-Deponien. Über diese Frist hatte es vorher Streit gegeben. Guttenberg wollte die Industrie nur 20 Jahre haften lassen, bevor der Staat die Nachsorge übernimmt, das Bundesumweltministerium deutlich länger. Allerdings müssen die Unternehmen mit jeder Tonne CO2 einen Beitrag für mögliche Spätfolgen abführen oder eine Versicherung abschließen. Wie hoch diese Summe ist, legen ebenfalls die einzelnen Länder fest.
Dennoch kommt das Gesetz der Industrie insgesamt weit entgegen. So wird der Reinheitsgrad, den das verklappte Gas haben muss, nicht näher festgelegt. Zunächst war ein CO2-Mindestanteil von 95 Prozent vorgesehen. Dieser könne aber zum Beispiel in der Stahlindustrie nicht erreicht werden, sagte Gabriel. Weil die Technologie aber allen Branchen offenstehen soll, wurde das Gesetz entsprechend unkonkret formuliert.
Zufrieden zeigte sich denn auch zu Guttenberg über die "gute, offene, intensive" Diskussion, die er mit Gabriel geführt habe. Und auch das "Informationszentrum klimafreundliche Kohlekraftwerke", das die Lobbyarbeit für die Energiekonzerne übernommen hat, begrüßte den Entwurf, der nun möglichst noch bis Sommer Gesetz werden soll.
Nach Einschätzung der Deutschen Umwelthilfe dient der Gesetzentwurf hingegen dem Erhalt hergebrachter Strukturen in der Energiewirtschaft. Die Umweltschützer beklagen, dass die Bereitstellung von unterirdischen Speichern für Kohlendioxid den Ausbau der Geothermie behindere, für die tiefe Bohrungen in der Erde vorgenommen werden müssen. Gabriel hält diese Kritik jedoch für unberechtigt. Lediglich 10 der 180 geplanten Erdwärmeprojekte lägen in Norddeutschland, wo sich auch die meisten Gasspeicher fänden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Energiepläne der Union
Der die Windräder abbauen will
Streit um Neuwahlen
Inhaltsleeres Termingerangel
SPD nach Ampel-Aus
It’s soziale Sicherheit, stupid
Überwachtes Einkaufen in Hamburg
Abgescannt
Lehren aus den US-Wahlen
Wo bleibt das linke Gerechtigkeitsversprechen?
Obergrenze für Imbissbuden in Heilbronn
Kein Döner ist illegal